Glaubt man prominenten Mitgliedern des Vereins Deutsche Sprache, dann sieht es um die Zukunft des Deutschen finster aus:
„Kolonialstaaten pflegen im Lauf der Zeit die Sprache ihres Mutterlandes anzunehmen.“ Herbert Bonewitz (Held der Mainzer Fassenacht)
„Die deutsche Sprache verendet wie ein krankes Tier.“ Edda Moser (Opernsängerin)
„Man wird schwerlich in der Welt noch eine andere Gesellschaft finden, die ihre eigene Sprache so schamlos mißachtet und so hemmungslos aufgibt, wie die deutsche Gesellschaft.“ Prof. Dr. Hans Joachim Meyer (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken)
Ist die deutsche Sprache tatsächlich in Gefahr? Wird sie in absehbarer Zeit verschwinden?
Vor einiger Zeit habe ich skizziert, wie Sprachen sterben. Zur Erinnerung: das geschieht in drei Phasen: in der ersten Phase sehen sich Sprecher mit einer dominanten Fremdsprache konfrontiert, deren Beherrschung für eine Teilnahme am öffentlichen Leben (Bildung, Medien, staatliche Institutionen) notwendig ist. In der zweiten Phase entsteht in der Gesellschaft eine solide Zweisprachigkeit, bei der die Sprecher die neue Sprache im öffentlichen Raum und ihre ursprüngliche Sprache im privaten Raum verwenden. In der dritten Phase geben die Sprecher, vor allem die jüngeren, ihre ursprüngliche Sprache ganz auf, manchmal freiwillig (weil sie sich mit ihr nicht mehr identifizieren), manchmal unter Zwang. Übrigens ergibt sich die dritte Phase nicht zwangsläufig aus der zweiten — es kann sich auch eine dauerhafte Mehrsprachigkeit einstellen.
Befindet sich die deutsche Sprache in einer dieser Phasen? Die zweite und dritte Phase brauchen wir wohl nicht ernsthaft zu diskutieren. Es gibt keine allgemeine Zweisprachigkeit und erst recht keine Sprecher, die das Deutsche für eine andere Sprache (etwa eine der anderen beiden Arbeitssprachen der EU, Französisch oder Englisch) aufgäben.
Wie sieht es aber mit der ersten Phase aus?
In der jüngeren deutschen Geschichte gab bzw. gibt es zwei Situationen, die eine solche Phase hätten einleiten können. Die erste war die Beendigung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes durch die Alliierten und das darauf folgende halbe Jahrhundert, in dem die deutsche Politik im Westen dem Alliierten Kontrollrat im Osten der Sowjetunion unterstellt war. Militärische Niederlagen sind ein häufiger Grund für die plötzliche Dominanz einer fremden Sprache, es wäre also durchaus vorstellbar, dass das Englische, das Französische oder das Russische im öffentlichen Raum Einzug hätten halten können. Das ist aber nicht geschehen. Weder die Westmächte, die die BRD ohnehin schnell als gleichberechtigten Partner behandelten, noch die Sowjetunion, die die DDR politisch an der kurzen Leine hielt, griffen in die sprachliche Souveränität Deutschlands ein. Gerichtsverfahren, Wahlen, Nachrichten- und Unterhaltungssendungen, Schul- und Hochschulbildung — alles das fand weiterhin auf Deutsch statt.
Die zweite Situation, die zu einer ersten Phase des Sprachtods hätte führen können oder dies noch könnte, ist der europäischen Einigungsprozess. Im Zuge einer politischen Konsolidierung der europäischen Union könnte theoretisch die Situation einer dominanten Sprache entstehen, etwa, in dem die deutsche Judikative das Französische, das in der EU bereits de facto erste Rechtssprache ist, auch an deutschen Gerichten einführen würde, oder in dem das Englische, dass sich mehr und mehr zur faktischen Verkehrssprache innerhalb der EU (und darüber hinaus) entwickelt, in den Medien, im Bildungssystem und in der öffentlichen Verwaltung eine institutionalisierte Rolle erhalten würde. Derzeit ist das aber nicht der Fall und es gibt auch keinerlei Anzeichen dafür, dass sich das ändern könnte.
In den Medien spielt das Englische so gut wie keine Rolle. Um eine Nachrichtensendung oder einen Film in englischer Sprache zu sehen, muss man schon besondere Anstrengungen unternehmen. Als eines von wenigen Ländern in Europa werden in Deutschland bis heute sogar ausländische Filme fast ausschließlich in synchronisierten Fassungen in den Kinos und im Fernsehen gezeigt.
In der Verwaltung spielt das Englische ebenfalls keine Rolle. Im Gegenteil — wer schon einmal versucht hat, sich mit deutschen Ämtern auf Englisch zu verständigen, der trifft dort auf glasige Blicke (unsere internationalen Austauschstudenten hier in Bremen können ein Lied davon singen).
Und auch im Bildungssystem spielt das Englische bislang die Rolle einer typischen Fremdsprache. Vielleicht lässt sich an den Universitäten eine gewisse Tendenz erkennen, das Deutsche als Unterrichtssprache durch das Englische zu ersetzen. Diese Tendenz beschränkt sich im Augenblick außerhalb der englischen Philologie allerdings auf international ausgerichtete Studiengänge und Graduiertenschulen. Es ist denkbar, dass die zunehmende internationale Vernetzung der Universitäten dazu führt, dass das Englische als Unterrichtssprache gleichberechtigt neben das Deutsche tritt oder es sogar aussticht. Schließlich findet die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen bereits heute in den meisten Disziplinen hauptsächlich in englischer Sprache statt. Aber selbst wenn das geschehen sollte, würde diese Tatsache allein die deutsche Sprache nicht ernsthaft bedrohen. Jahrhundertelang wurden universitäre Forschung und Lehre in lateinischer Sprache betrieben, ohne dass das Latein sich deshalb im Alltag durchgesetzt hätte.
Der einzige andere Bereich, in dem das Deutsche ernsthafte Konkurrenz hat, ist in international orientierten Firmen. Man kann sich darüber streiten, wie sinnvoll es ist, deutsche Belegschaften im Berufsalltag Englisch sprechen zu lassen, doch in den meisten Fällen wählen Firmen das Englische als Firmensprache, weil Belegschaften mit unterschiedlichen Muttersprachen zusammenarbeiten müssen. Auch das wird aber nicht dazu führen, dass die deutsche Sprache aus dem öffentlichen Leben verdrängt wird.
Das Deutsche ist also eine quicklebendige Sprache, um die sich niemand ernsthaft Sorgen zu machen braucht. Solange die erste Phase des Sprachtods nicht in Sicht ist, kann nichts schief gehen.
Wie ist es aber mit dem viel beschrieenen Sprachgemisch aus Deutsch und Englisch, das angeblich unseren Alltag beherrscht. Nun, zunächst ist hier eine gehörige Portion Realismus gefragt: zählen Sie doch einfach einmal mit, wieviel Prozent der Wörter, die Ihnen im Laufe eines Tages begegnen, tatsächlich englisches Lehngut sind. Wenn Sie auf mehr als ein Prozent kommen, arbeiten Sie entweder in der Werbeindustrie oder als „Business Consultant“ — Verzeihung, Unternehmensberater. Manche der englischen Lehnwörter oder Pseudolehnwörter, die Ihnen begegnen, mögen überflüssig oder unfreiwillig komisch sein, aber die deutsche Sprache bedrohen sie nicht. Denn noch nie ist eine Sprache verschwunden, weil sie Lehngut aufgenommen hat. Die erfolgreichste Sprache, die es je gegeben hat, das Englische, zeigt sogar sehr deutlich, dass das Gegenteil der Fall ist: wie ein sprachlicher Staubsauger nimmt sie unglaubliche Mengen an Lehnwörtern auf und assimiliert sie in ihren Wortschatz und ihre Grammatik: nur noch ungefähr ein Viertel des englischen Wortschatzes ist angelsächsischen Ursprungs. Und trotzdem: die Sprache läuft, und läuft, und läuft…
Ich spendiere das Wort “Veröffentlichung”. Bitte vor “von Forschungsergebnissen” einfügern. 🙂
[Anmerkung des Sprachblog-Administratorenteams (2007–08-09, 14:19): Danke, ist erledigt! Der dazugehörige Link funktioniert nun auch.]
‘Schamlos missachten’, ‘hemmungslos aufgeben’, dazu noch zweimal ‘Gesellschaft’ in nur einem Satz — tsss! Der Herr Professor sollte den bildnerischen Umgang mit der deutschen Sprache noch ein wenig ‘trainieren’ [darf ich so undeutsch daherreden?], bevor er sich zu diesem Thema äußert.
Chat Atkins, ich bin ja in stilistischen Dingen generell großzügiger als Sie, aber der Satz ist wirklich nicht schön. Wahrscheinlich war Meyer so aufgeregt über den drohenden Niedergang, dass fürs Korrekturlesen keine Zeit blieb…
Tschaja — unter ’schamlos erachten’ oder ‘hemmungslos aufgeilen’ könnte ich mir ja noch etwas Konkretes vorstellen. Aber ein ‘missachten’ im Konnex mit ’schamlos’?
“Du Vati, die nackte Frau da, die habe ich erst schamlos missachtet, und dann hat sie ihren Striptease — igittegitt — hemmungslos aufgegeben” … 😉
Leider trifft das schöne Bild von der Zukunft der deutschen Sprache für viele Bereiche nicht mehr zu. Ganze Bereiche der Wissenschaft sind der Sprache weggebrochen (in der Psychologie z.B. bekommt man nur noch Populärwissenschaft auf Deutsch). Diverse Communities im Internet verwenden nut noch wenige deutsche Versatzstücke. Trotzdem glaube ich auch nicht, dass die deutsche Sprache kurz vor ihrem Ende steht. Aber etwas Pflege kann sie schon gebrauchen.
Stimmt: Englisch nimmt interessante Wörter auf und integriert diese. Aber Deutsch nimmt überwiegend unnötige Wörter auf und integriert diese nur selten. Z. B. sprechen und schreiben wir nach ca. 300 Jahren immer noch viele französischen Importe möglichst original.
In den Naturwissenschaften ist Deutsch so gut wie weg vom Tisch, was zwar bedauerlich aber wenigstens nachvollziehbar ist. Aber auch in den Geisteswissenschaften ist der Anglozug in Fahrt. Wieso eigentlich ?
Sehr geehrter Juniorprofessor Anatol Stefanowitsch,
Ihr Beitrag enthält neben einem etwas bräsigen, aber nicht unsympathischen Selbstbewußtsein doch eine ganze Reihe nicht zuendegedachter Argumente — fast hätte ich geglaubt, den Artikel eines Spiegel-Redakteurs zu lesen, der die halbgebildete nachachtundsechziger Kleinbürgerschicht amüsieren will. Doch von einem Linguistik-Professor, sei er denn “Junior-”, erwarte ich eine tiefergehende Betrachtung. Zur Sache.
Als Erstes erwähnen Sie mit keiner Silbe, daß das Problem der deutschen Sprache eigentlich das Problem aller wichtigen Muttersprachen, einschließlich des Englischen ist. Alle diese Hochsprachen sind davon bedroht, durch einen monokontexturalen (Gotthard Günther) universellen Verständigungscode von etwa 800 Symbolen (ohne Flexion) — Global-Englisch — ersetzt zu werden, der sich zunehmend von den — sonst muttersprachlich aufgeladenen — Basiskategorien des Denkens im jeweiligen Sprachraum ablöst, und damit nicht mehr sprachmächtig, wirkungsvoll, sinnprozeßorientiert, semiotisch, wissenschaftstauglich sein kann. Die Vielfalt kulturgeladener Denkmodelle erstirbt somit, und die Welt folgt verunsichert einem einzigen (bereits vielfach falsifizierten) Denkschema, was sehr leicht zum Weltuntergang führen kann. Das Folgende bezieht sich zunächst auf die westliche Hemisphäre — Deutsch gilt als prominenter Vorreiter dieses Phänomens.
Die Ursachen hierfür sind zumindest vierfältig:
1. Die Menschen, einschließlich ihrer Linguisten 🙂 haben noch nicht wirklich verstanden, was Muttersprache eigentlich ist. Für sie ist Sprache meist ein syntaktisch strukturierbares Zeichensystem zum Benennen von Dingen, dessen Sätze im Sinne einer formalen Semantik definierbare Wirkung hervorrufen — letztlich ist es gleichgültig, in welcher Sprache ich spreche — da nehme ich doch am besten gleich:
- die Sprache des internationalen Marktes
- die Sprache der internationalen Wissenschaft
- die Sprache der mächtigsten Nation der Welt
- die Sprache, mit der ich später die besten Berufschancen habe
- die Sprache, mit der ich mich weltweit am besten verständigen kann (denn ich habe überall in der Welt Freunde, nur zuhaus nicht:-)
- die Sprache, die ohnehin verbleibende Arbeits- und Verständigungssprache in der EU sein wird
- die Sprache, die tagtäglich so sympathisch unverständlich aus allen Rohren auf mich einschallt
- und derlei Gedanken mehr.
2. (und das ist ein sehr wirkmächtiges Argument): Die Konzern- und Finanzlenker unserer Hemisphäre glauben fast ausnahmslos, Englisch sei die “Sprache des internationalen Marktes” (der billige ferne Osten bestätigt sie hierin), und deshalb müssen alle beruflich aktiven Deutschen Englisch “wie ihre Muttersprache beherrschen”. (Zitat, vielfach von großen Männern gesprochen und trotz pragmatischer Dementis beherzt vorangetrieben: Rüttgers, Öttinger, Thumann, Rogowski, Hundt, Kannegießer, Grünberg, Leibinger, Schwenker, Mehdorn und viele, viele andere mehr. Und Ihre. lieber Herr Stefanowitsch, “international orientierten” Firmen sind im Exportland Deutschland, gemessen an ihrer normierenden Wirkung, beträchtlich in der Übermacht.!
Nun konstatieren wir, daß in Deutschland seit 1871 das Volk immer genau das getan hat, was das Großkapital, und damit die ihm — der “Wirtschaft” — verbundene und verpflichtete Politik, beabsichtigte. So “wurden” wir z.B. jüngst von einer Kulturnation in eine Konsumnation “mutiert”. Sehen Sie gegenwärtig eine neue demokratisch-kulturelle Qualität der Bundesrepublik? Meine Meinung: man wird es weiter vorantreiben. Diese Meinung wird täglich bestätigt.
3. Die Absicht der deutschen Wissenschaftsbürokratie und die Bereitwilligkeit der meisten Wissenschaftler, “Englisch” als alleinige “Wissenschaftssprache” und Lehrsprache auch in Deutschland einzuführen. Diese Tendenz nimmt ganz rapide zu. Dies zieht wachsende Dominanz des Englischen in allen Schulformen nach sich, bis hinunter zum zunehmenden Englisch-Immersionsunterricht ab 1. Klasse (alle Sachkundefächer nur noch auf Englisch; Helen Doron; GIFIL). Die fatale Folge ist, daß keine neuen Begriffe mehr ins Deutsche eindringen, die letztlich auch die Mutter verwendet — die Muttersprache stirbt also tatsächlich, obwohl sie noch “irgendwie” dableibt. Denn Wissenschaft ist vor allem “das Bilden von Begriffen und das Benennen derselben”, und Wissenschaft verfeinert die Begriffe für das Volk, damit es gescheiter wird. Das entfällt nun, und manche Schwachköpfe sind so eitel, daß sie sagen: “Das Volk versteht unsere Wissenschaft sowieso nicht, auch nicht auf deutsch.”
Nun möchte ich mich endlich Ihrer Argumentation direkt zuwenden.
Etwas selbstgefällig (ich bemerkte es bereits) skizzierten Sie ein dreistufiges Modell des “Sprachensterbens” — so als ob es keine anderen Mechanismen, Motive, Stufen, Entwicklungen geben könnte.
Bleiben wir bei Ihrer Stufe 1.
Können Sie sich vorstellen, daß auch die vier Mechanismen, die ich oben skzizzierte, zum fatalen Ergebnis führen könnten? (Es gibt weit mehr)
Hierzu bedarf es keiner Kolonisation, wie sie zu Zeiten physischer Diktatur üblich war — eine pädagogische Diktatur (Sloterdijk) reicht völlig aus. Und diese haben wir wohl. Im übrigen kann man beobachten, daß der Siegeszug von Globalenglisch in Deutschland genau mit dem Siegeszug der Globalisierung begann und nicht vorher, obwohl Deutschland etwa ab 1900 führende Exportnation ist (Bosch z.B.). Vor der Wende war die Muttersprache gehütetes und weiterentwickeltes Gut jeder (westlichen) Nation. Es kommt also in der Tat von innen heraus.
Europäischer Einigungsprozeß:
Was meinen Sie wohl — realistisch gesehen — worauf das ungeliebte, teure Vielsprachenregime der EU hinausläuft (wenn diese nicht vorher zerbricht)? Welche universelle Sprache, glauben Sie, wird wohl den Sieg davontragen? Welche hätte es wohl verdient? Ich meine, das Global-Englische ist der einzige natürliche Kandidat. Und das ist nicht theoretisch, denn wie verständigen sich denn die meisten Kommissare, Abgeordneten, Beamten usw. heute zwanglos untereinander? Dazu gibt es sogar Statistiken zur bevorzugten EU-Volontariatssprache, oder die häufig zu lesenden “native English speaking” Stellenangebote in jedem Mitgliedsland, ebenfalls leicht zu verifizieren bei Interviews mit EU-Beamten im Deutschlandfunk. Insofern sind Ihre “keinerlei Anzeichen” doch eher ein frommer Wunsch.
Und “in den Medien spiele das Englische so gut wie keine Rolle”? Ja haben Sie denn noch nie ein Radio angedreht? Waren Sie noch nie in einem Verbrauchermarkt oder einer Autowerkstatt? Haben Sie noch nie in einem öffentlichen Verkehrsmittel gesessen und das charakteristische Zisch-Plärren aus vielfältigen Ohrhörern der umsitzenden Jugendlichen vernommen? Oder haben Sie ihre Jung-Mitwissenschaftler an deren Rechnern besucht? Was dringt denn aus deren Kopfhörern? Welche Sprache war das gleich??
Nun noch einmal zum großen Faktor Wissenschaftssprache:
Ihr Vergleich mit Latein ist haarsträubend oberflächlich. Wann fand Wissenschaft in Latein statt, und in welcher wissenschaftlichen Situation befand sich Deutschland im Mittelalter, wo Latein als (nun bereits tote Sprache) Träger der Wissenschaft war?
Wissenschaft wurde zu dieser Zeit bevorzugt in den Klöstern betrieben — sie war auch danach -, und als das Bürgertum zum Zuge kam, so fand auch schon die Geburt der Muttersprache als Wissenschaftssprache statt.
Erst diese — in Deutschland mit der bahnbrechenden Bibel-Übersetzung von Luther — entriß die Wissenschaft dem Klerus und gab sie dem Volke, was zu einer gewaltigen wissenschaftlich-technischen Revolution, insbesondere in Deutschland, führte. Haben Sie einmal Feldhaus “Ruhmesblätter der Technik” oder Everling “Erfindungen und Fortschritte” gelesen? Dort bekommen Sie ein Gefühl dafür, wie eine befreite Muttersprache sich der Wissenschaft bemächtigte, in Gestalt von Millionen Erfindern aus Handwerk, Bürgertum, Fabrik. Der Begriff des Ingenieurs ist ebenso eng mit der französischen Muttersprache verbunden.
Interessanterweise trat auch die Mathematik, ungeachtet der singulären “principia mathematica” immer dann mit großen Leistungen zutage, wenn ihre Sprache die Muttersprache war. Das galt für das Griechische und Römische (Latein), und dann erst wieder ab dem 16. Jhd, mit dem Auftreten großer französischer, englischer und deutscher Mathematiker in ihren Muttersprachen.
Daß wir uns jetzt unsere hervorragende Wissenschaftssprache Deutsch wegnehmen lassen, ist eine Riesen-Dummheit, aber es findet tausendfach statt. Schuld ist der erbärmliche Materialismus der Wissenschaftler von der Stange und die Inkompetenz der Wissenschaftsbürokratie, die beide nur danach schielen, ob Veröffentlichungen in US-amerikanischen Zitatenzählungen erwähnt sind und ob man viele schöne Konzert- (vzg. Konferenz-) Einladungen zu “internationalen” Konferenzen bekommt. Ein fataler Effekt. Schließlich gehört unsere deutsche Wissenschaft (noch) zu den besten der Welt, und die “Wissenschafts-Supermacht” USA würde alt aussehen, wenn sie die Bluttransfusion 1936–1951 und die vielen neuen deutschen Forschungsemigranten nicht hätte.
Nun, daß Denglisch nicht das Hauptproblem ist, darin stimme ich Ihnen zu. Wenn aber z.B. deutsche Informatikstudenten haufenweise darüber klagen, daß sie nur noch Lehrbücher und Vorlesungen auf Englisch bekämen, so daß das tiefere Verständnis völlig auf der Strecke bliebe, so kann ich nicht bestätigen, daß unsere Sprache läuft und läuft… höchstens ins Abseits.
Ein Letztes — Sie werden lachen; in ihrem Optimismus pflichte ich Ihnen dennoch bei. Jedoch aus völlig anderen Gründen.
Die deutsche Rechnerlinguistik hat nämlich nicht gänzlich geschlafen, bzw. sich nur dem US-Projekt des statistischen Anti-Islam- Phraselators (DOD-TransTac-InterAct) unterworfen.
[Anmerkung des Sprachblog-Administratorenteams: Klaus Däßler ist Mitlglied und ehem. Vorstandsmitglied des Vereins Deutsche Sprache.]
Uiuiui, Herr Däßler,
da haben Sie ja die ganz dicke Behauptungskanone ausgepackt — weil die Fakten nicht einmal für ein Blasrohr reichen?
Für die ganz rapide Zunahme der Absicht der deutschen Wissenschaftsbürokratie, Englisch als alleinige Wissenschaftssprache einzuführen, hätten Sie sicherlich einen Beleg angeführt, wenn es denn einen geben sollte.
Auch die Horde römischer Mathematiker, die ganz groß rausgekommen sind, weil sie auf Latein publizieren konnten, würde ich gerne einmal kennenlernen.
Die ebenfalls behauptete Gleichzeitigkeit des Siegeszugs von Globalenglisch in Deutschland und Globalisierung stünde ebenfalls mit der einen oder anderen Zahl oder Quelle glaubhafter da.
Vielleicht dient es der Versachlichung, eine Zahl zur angeblich so rasanten Verdenglischung unserer Sprache einzuwerfen: Von den 100 meist verwendeten Wörtern in deutschen Werbeslogans waren im Oktober 2006 genau 22 englisch, im April 2007 nur noch 17, derzeit sind es 20, und damit immer noch eins weniger als dem Gesamt-Durchschnitt für die Jahre ab 2000 entspricht. (Quelle: http://www.slogans.de/slogometer.php )
Das kann man jetzt für viel oder für wenig halten — aber es handelt sich jedenfalls nicht um eine rapide Zunahme, sondern eher um eine leicht sinkende Tendenz.
Für das vergangene Jahrhundert lassen sich bestimmt hunderte von Belegen dafür finden, dass das Englische einen steigenden Raum in der deutschen Sprache einnimmt. Für das vergangene JAHRZEHNT, also die gerade aktuelle Entwicklung, wäre ich an solchen Belegen höchst interessiert — komisch, dass sie keiner liefert.
Die Modevokabeln kommen und gehen, und der Text klingt für mich leicht antediluvianisch, wie aus Adelungs Zeiten. Dass die Sprachkompetenz im Alltag nachlässt, bin ich ja gerne bereit als höchst subjektiven Beobachtungswert zu ‘konzedieren’ [ihh — schon wieder so’n Immigrant!], weil mir belastbare Daten fehlen. Das aber hängt mit fehlenden Flexionen und einem allgemeinen Kurzsatz-Gestammel in der Öffentlichkeit — auch der massenmedialen — viel mehr zusammen als mit der Frage, ob wir nun ‘geupdated’ oder ‘upgedated’ oder ‘aktualisiert’ sagen. DER Text ist das jedenfalls nicht …
Zu Herrn Gürtler,
tja, lieber Herr Gürtler. Jetzt kommen die gewünschten Belege:
Exzellenzinitiative der DFG, der größten Forschungsförderungsinstitution der BRD,
für die deutschen Hochschulen.
http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/koordinierte_programme/exzellenzinitiative/exzellenzcluster/index.html
Anträge werden “auf Englisch erbeten”. “Englische Begriffe” werden bereitgestellt.
Englische Vordrucke werden bereitgestellt.
Das ist für mich der größte Hammer an Kulturvergessenheit der Wissenschaftsbürokratie der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Übrigens gab es da kürzlich eine bekannte Soziologieprofessorin, die forderte, DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN ENGLICH AUCH AUF ENGLISCH UMZUSTELLEN.
Griechenland und Rom:
Die Mathematik der Antike stammt im wesentlichen aus Griechenland (Arabien, China usw sind vorher auch bekannt).
Daß es dort Leute wie Heraklit, Pythagoras, Euklid gab, können Sie nicht leugnen.
Diese verständigten sich in ihrer Muttersprache Griechisch und beschrieben
auch ihre Mathematik darin.
Jedoch führte im alten Rom die Mathematik zu den größten, von einer hohen Kenntnis der Geometrie zeugenden, in der Folge jahrhundertelang unübertroffenen mathematischen Leistungen der Baukunst.
Im Römischen Reich war es nicht Sache der Mathematiker, zu veröffentlichen,
sondern Werke zu vollbringen. Diese Werke sind uns bis heute
überliefert und zeugen, trotz des schwachen römischen Zahlensystems
von hohen geometrischen Leistungen.
In der lateinisch basierten Renaissance ist lediglich Leonardo da Vinci ein
herausragendes Licht. Inwieweit er schon die Volkssprache italienisch
statt römisch-Latein verwendet hat, weiß ich nicht. Müßt ich nachschauen.
Die eigentliche Weiterentwicklung der Mathematik begann jedoch mit Adam Riese in
Deutschland und Descartes in Frankreich im 16. Jhd.
Ab dem 17. Jhd. begann mit hunderten namhafter Mathematiker der Prozeß, den ich als wiss. techn. Revolution aufgrund
Verfügbarkeit der Muttersprache für die Wissenschaft bezeichne, quasi eine
Eruption.
Denglisch:
Ich bemerkte schon, daß Denglisch m.E. nicht so entscheidend ist, obwohl es das Wetterleuchten anderer, wirklich entscheidender Prozesse ist.
Das Argument: bei hundert verschiedenen Wörtern sind nur 17 (pseudo-)Englisch ist irreführend. Es kommt darauf an, wie oft sie in diesem Text gebraucht werden. Z.B. verwendet der DLF ständig das Wort Festivell für Fest oder Festspiele. Natürlich ist das vergleichsweise wenig, aber Fest bzw. Festspiele werden dennoch sinnlos verdrängt. D.h. Englisch zu Deutsch 1000%, und zwar sinnloserweise unter Differenzierungsverlust.
Für das beginnende Durchsetzen von Englisch als deutscher Landessprache seit der Wende habe ich keine Zahlen,
jedoch sehr intensive Beobachtungen und Stoffsammlungen. So hat Deutschland 40 Jahre unter der Herrschaft der angloamerikanischen Allierten (und ihrer Musik, ihrem Dollar, ihren Zigaretten, ihrem ganzen Zinnober) ausgehalten, OHNE daß seine Sprache nennenswert mutiert wäre. Erst ab 1990 erschienen folgende Phänomene:
- Frühenglischunterricht ab 3. bzw. 1. Klasse (vorher wie jede Fremdsprache ab 5. Klasse)
- Einführen englischer Studienfächer und englischsprachiger Vorlesung an den naturwissenschaftlichen Fakultäten
- Abschließende Diskussion, daß Englisch in der Informatik besser sei, als Deutsch — im Informatik-Spektrum -
- Entstehen des GIFIL-Institutes
- Entstehen der Helen-Doron-Franchise-Bewegung
- Einführung englischer Abteilungsbezeichnungen bei Siemens und anderen Großfirmen
- Einführen von Englisch als Firmensprache, weil Indien als Globalisierungspartner auf den Plan tritt.
Alle diese Dinge fanden in Deutschland nicht in den 40 Jahren Alliiertenherrschaft und Umerziehung, sondern genau in den 10 Jahren Globalisierungsherrschaft NACH der Wende, d.h. dem Zusammenbruch des Ostblocks statt.
Sind doch eine ganze Menge Belege für das letzte Jahrzehnt, nöch?
Ich habe in den Jahren meiner Beschäftigung mit dieser Materie jede Menge Material gesammelt, das ist in meinen Schränken, z.B. wie sich die Sprache der EU allmählich nach Englisch neigt usw.
Doch ich habe keine Zeit mehr.
Hoffe, das genügt.
mfg Klaus Däßler
[Anmerkung des Sprachblog-Administratorenteams: Klaus Däßler ist Mitlglied und ehem. Vorstandsmitglied des Vereins Deutsche Sprache.]
Lieber Herr Däßler,
ich will Sie wenigstens kurz wissen lassen, dass ich Ihre Bemühungen schätze, einen etwas ausführlicheren Dialog zu führen als das Beispielsweise der große Vorsitzende Ihres Vereins zu können scheint (wenn er es wirlich war). Trotzdem könnte ich auf Ihre Kommentare hin nur das wiederholen, was ich in meinem Beitrag bereits gesagt habe (und das wäre etwas langweilig, deshalb lasse ich es).
Das Grundproblem der kleinen Diskussion, die sich hier entwickelt hat, hat Herr Guertler (treffend, wie immer) zusammengefasst: wie fast alle Ihrer Vereinskollegen haben Sie ein äußerst loses Verhältnis zur Evidenz. Sie stellen einfach eine Reihe von Behauptungen auf, was den Zustand der deutschen Sprache, den Einfluss des Englischen und dessen mögliche Konsequenzen angeht. Keine dieser Behauptungen wird auch nur ansatzweise durch Fakten gestützt — ja, die meisten dieser Behauptungen sind so subjektiv, dass noch nicht einmal klar ist, welche Fakten man heranziehen müsste, um ihren Plausibilitätsgehalt zu überprüfen. Trotzdem glauben Sie — wie mir scheint, durchaus ernsthaft und aufrichtig — dass diese Behauptungen mehr zählen als ein wissenschaftliches Modell des Sprachsterbens, das übrigens keineswegs auf dem bräsigen und oberflächlichen Verständnis eines bloßen Juniorprofessors aufbaut, sondern das von Koryphäen der Sprachwissenschaft wie Robert M.W. Dixon entwickelt worden ist und das sich hundertfach bestätigt hat. Dieses Modell ist keineswegs unangreifbar: es ist ein wissenschaftliches Hypothesengebilde, das klare Vorhersagen macht. Wenn diese Vorhersagen falsch wären, wäre das Modell damit hinfällig. Die Vorhersagen haben sich bislang aber kein einziges Mal als falsch erwiesen, deshalb gehen wir weiterhin von der Gültigkeit des Modells aus. Das braucht Ihnen nicht zu passen, aber so funktioniert Wissenschaft — und eigentlich auch jede andere Art eines rationalen Diskurses.
Ihnen geht es ja aber gar nicht um einen rationalen Diskurs: Sie haben eine antikapitalistische und (hoffentlich nur) isolationistische politische Agenda. In einem freien Land dürfen Sie die ja auch haben, aber sie sollten sie nicht hinter Diskussionen um die deutsche und die englische Sprache verstecken.
Mit besten Grüßen
Anatol Stefanowitsch
Lieber Herr Stefanowitsch,
vielen Dank, daß Sie, der Angesprochene, sich einmal zu Wort gemeldet haben.
Ich freue mich auch über sachliche Argumente, aber nicht über Vermutungen und grobe Unterstellungen, die Sie sich nicht entbrechen konnten, im zweiten Teil Ihrer Entgegnung zu äußern. Ich will den hiesigen Disput nicht ins Unendliche treiben, aber für inkompetent, faktenresistent, subjektiv lasse ich mich keinesfalls ästimieren.
Es liegt mir insbesondere fern, mich hinter sog. Koryphäen zu verstecken, da ich deren hunderte, ja Tausende kennengelernt habe, in meiner früheren Tätigkeit an sehr zentraler Stelle im wissenschaftlichen Bereich in einem deutschen Großkonzern.
Offensichtlich haben Sie schon meine Entgegnung auf den Herrn Gürtler gar nicht richtig gelesen, denn dort stehen einige der gewünschten Fakten, ohne den Anspruch der “Wissenschaftlichkeit” zu erheben, eher den Anspruch des gesunden Menschenverstandes und einer gesunden Beobachtungsgabe.
Diese einfach zu ignorieren, und von einem “losen Verhältnis zur Evidenz” zu sprechen, ist doch etwas stark, und ich darf es hiermit sauber zurückgeben.
Wenn Sie — als offenbar “richtiger Sprachwissenschaftler” — sich wie die Mehrzahl dieser Zunft im von außen beschreibenden Elfenbeinturm befinden, und nicht bereit sind, in die Lebenswelt
dieses Volkes zu gehen, dessen Muttersprache so arg in Bedrängnis gekommen ist, so relativiert das sehr stark die Anwendbarkeit Ihrer Äußerungen.
Sie haben zwei Denkmodelle für die Dixonsche “Phase 1” angeführt, und dann Phase 1, da beide nicht zutreffen, in Deutschland als nicht existent unterstellt — was man als grob unwissenschaftlich bezeichnen könnte, denn das ist noch keine Widerlegung; es sind unendlich viele Situationen denkbar, auf die die Dixonschen “Phase-1-Kriterien” zutreffen könnten.
Das hatte ich kritisiert, ohne sehr massiv zu werden — und hatte die besonders unbarmherzige ökonomische Globalisierung im Vorreiterland der Globalisierung als drittes Denkmodell,
als eigentliche Ursache, genannt. Damit hatte ich sogar Ihre “Phase 1” als anwendbar unterstellt.
Daß Sie aus lauter Hilflosigkeit nun aber ideologisch werden, und mir (bzw. dem VDS) eine antikapitalistische politische Agenda unterstellen, die nur hinter der Sprache getarnt werde, ist, gelinde gesagt, etwas stark. Fehlt bloß noch der Hinweis auf “Rechtsextremismus” — wie wär’s?
Wieder muß ich konstatieren, daß ich von einem Professor — und sei er “Junior”
eine beträchtlich tiefere Denkweise erwarte. Was ich geschrieben habe, war ernstgemeint, und Sie dürfen es sich ruhig noch einmal durchlesen! (Müssen Sie aber nicht:-)
Für mich gilt, daß ich die ökonomische Globalisierung als Feind der Kulturen und der Muttersprachen ausgemacht habe. Dafür gibt es jede Menge Belege. Und was
ich über die Situation von 1945–1990 und 1990 bis heute geschrieben habe,
können Sie alles überprüfen. Ich habe Ihnen nicht die Taschen vollgehauen.
Es ist zu einfach, Zeitungsartikel herzunehmen, und die Wörter zu zählen!
Zu Ihrer Antikapitalismus-Unterstellung:
Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß es verschiedene Formen des Kapitalismus gibt.
Zu denen gehören (unter anderen):
- Eine soziale Marktwirtschaft, die ich (möglicherweise im Gegensatz zu Ihnen) das Glück hatte noch zu erleben — in den 70er Jahren in Bayern. Wie kommen Sie also darauf, daß ich Gegner des Kapitalismus sein sollte?
- Einen entfesselten Neoliberalen Kapitalismus (NK), der sehr stark in den USA ausgeprägt ist und auch in Europa zunimmt; der die sozialen Strukturen und Schutzräume aus dem Wege räumt, die ein Staat den Menschen bietet (die z.B. in der Bundesrepublik zur Zeit der sozialen Marktwirtschaft aufgebaut wurden).
- und ein Globalkapitalismus, bei dem zum NK auf der einen Seite noch eine Art
räuberischer Frühkapitalismus (z.B. in China, in Bengalen und anderen Fernost-Billigländern) hinzukommt.
Dazu will ich Ihnen abschließend noch einen kleinen Beleg geben.
1 Eine Arbeiterin in Bangla Desh bekommt für die Herstellung eines Armani-Hemdes 0.07 €
2 Die Gesamtproduktion des Hemdes dort einschließlich ‘Transports in den Hafen kostet 5 €
3. Der Transport übers Meer mit dem Containerfrachter kostet pro Hemd 5 €. Dabei sind z.B. 1.5 Liter Diesel für ein 300-g-Hemd, die allerdings steuerfrei sind (30 Pfg. / L) und offensichtlich sinnlos in die Atmosphäre geblasen werden, nur damit der Produzent
dann unsittlich daran verdient.
4. Der Transport von Hamburg, mit der gesamten Logistik, mit Marketing, Vertrieb, zum Einzelhandelsendpunkt am Frankfurter Flughafen kostet 50 € (wir sind in einem “Hochpreis-Land”).
5. Dort wird dieses Hemd für 120 € verkauft.
6. Da es sich um einen internationalen Hersteller handelt, fallen so gut wie keine Steuern an. Reingewinn also etwa 60 €
Und jetzt noch unser Anliegen: damit das Ganze reibungslos funktioniert, wird
von der bengalischen Arbeiterin bis zum deutschen Verkäufer in Frankfurt
reibungslos Globalenglisch gesprochen.
Ich freue mich auf eine sachlichere Diskussion, wenn Sie einmal 30 Jahre älter sind, und vielleicht eine gewisse Lebenserfahrung gewonnen haben. Mein Wunsch an Sie wäre, daß Sie sich
schon jetzt etwas aktiver politisch (zumindest kulturpolitisch) betätigen.
Dazu gibt es auch in Bremen reichhaltige Möglichkeiten.
mit freundschaftlichen Grüßen
Klaus Däßler
Lieber Herr Däßler,
leider mit einer sehr späten Antwort, da zwischenzeitlich auf anderen Baustellen beschäftigt. Vielen Dank für Ihre nachgelieferten Fakten. In einem Punkt stimme ich Ihnen unumwunden zu: Es ist ein absolutes Unding, dass die DFG Anträge für Exzellenzcluster auf Englisch anfordert — das hätte ich nicht für möglich gehalten.
Wesentlich lockerer als Sie sehe ich den Vormarsch des Englischen in den deutschen Schulen: Es handelt sich nicht so sehr darum, mehr Schülern Englisch beizubringen (mehr als 100 Prozent geht nicht), sondern darum, früher mit dem Sprachenunterricht anzufangen, da kleine Kinder besser bzw. spielerischer Fremdsprachen lernen sollen. Ich habe erhebliche Zweifel, dass dieses Kindergartenenglisch tatsächlich zu besseren Fremdsprachenkenntnissen führt, aber das mögen die Pädagogen unter sich ausmachen.
Im Ausland, etwa an meinem Wohnort Marbella, wird es übrigens als großer Vorteil des deutschen Schulwesens angesehen, dass man dort so viele Fremdsprachen lernt, was sicherlich auch zu einem Teil die deutschen Exporterfolge erklärt: Die Engländer, die gerade die Verpflichtung zum Erlernen einer (!) Fremdsprache abgeschafft haben, stellen nachdenklich fest, dass sie nur mit Ländern, deren Muttersprache Englisch ist, einen Exportüberschuss haben, mit allen anderen nicht: Wer etwas verkaufen will, sollte nämlich die Sprache des Käufers beherrschen. Vielleicht könnten wir also sogar aus dem deutschen Schulwesen einen Exportschlager machen (siehe auch meinen Beitrag in der “Welt” hierzu: http://debatte.welt.de/kolumnen/55/meine+woche/35832/am+deutschen+schulwesen+soll+die+welt+genesen )
Ach ja: Ebenfalls in der Welt habe ich prognostiziert, dass in den kommenden Jahren die deutsche Sprache parallel zur deutschen Wirtschaft zum Globalisierungsgewinner werden wird: http://debatte.welt.de/kolumnen/55/meine+woche/35676/powerdeutsch+fuer+globalisierungsgewinner
Schauen Sie doch mal rein, es lohnt sich bestimmt.
Mit besten Grüßen
Detlef Gürtler
[Hinweis des Sprachblog-Administrationsteams: dieser Kommentar erreichte uns am 8.9.2007 per Email, konnte aber urlaubsbedingt erst heute eingestellt werden.]
Herr Gürtler, vielen Dank für Ihre fortgesetzte Bereitschaft, zu diesem Beitrag die Stimme der Vernunft zu vertreten. Nur eine Bemerkung. Sie schreiben:
Es ist ein absolutes Unding, dass die DFG Anträge für Exzellenzcluster auf Englisch anfordert — das hätte ich nicht für möglich gehalten.
Wenn die DFG das aus Jux und Tollerei machen würde, würde ich Ihnen da sogar zustimmen. Aber dem „Merkblatt Antragstellung“ kann man entnehmen, dass es für die Entscheidung einen guten Grund gibt:
Da es hier um beträchtliche Förderungssummen geht, bin ich als Steuerzahler froh darüber, dass die DFG Anträge von den besten Vertretern der jeweiligen Fächer begutachten lässt und nicht von denen, die zufällig Deutsch können.
Viel schlimmer finde ich, dass man für die Geisteswissenschaften eine Ausnahme macht. Aus den „Hinweisen zur Erstellung von Antragskizzen“:
Ich bin der Meinung, die deutschen Geisteswissenschaften haben es nicht nötig, sich vor einer Begutachtung durch internationale Experten zu verstecken…