Ich will eigentlich gar nicht über die „Aktion Lebendiges Deutsch“ schreiben, aber ich habe einen uninspirierten Tag, deshalb tu ich es doch. Und wieder einmal haben die Herren (ja, es sind wirklich nur Herren) bewiesen, dass sie als Erneuerer der deutschen Sprache gänzlich ungeeignet sind (einen Kommentar zu den Leservorschlägen für Factory Outlet erspare ich mir; die hat der Wortistiker bereits Anfang Juli relativ akkurat vorhergesehen und kommentiert).
Zunächst schlagen die Herren der Jury als Alternative für den Begriff Just in Time das deutsche „termingerecht“ vor. Damit beweisen sie eigentlich nur, dass sie nicht wissen, was Just in Time bedeutet. Es bedeutet nämlich, dass ein Zulieferer eine Ware genau in dem Augenblick liefert, in dem sie benötigt wird — nicht später, aber auch nicht früher. So sollen Lagerkosten reduziert (bzw. auf den Zulieferer abgeschoben) werden. Termingerecht bedeutet aber lediglich, dass etwas spätestens zum vereinbarten Termin geliefert wird. Außerdem ist der Begriff Just in Time auf Produktionsprozesse beschränkt, während termingerecht überall verwendet werden kann. Man verliert also im doppelten Sinne begriffliche Schärfe, wenn man Just in Time durch termingerecht ersetzt. Wenn man das eigentlich recht prägnante englische Lehnwort nicht mag, sollte man deshalb lieber seine allgemein etablierte deutsche Übersetzung fertigungssynchron verwenden (naja, so ganz deutsch ist die natürlich auch nicht, aber bei altgriechischem Lehngut scheinen die Emotionen nicht so hochzukochen, wie bei neuenglischem).
Für den laufenden Monat suchen die Herren nach einer deutschen Alternative für das schöne Wort Blockbuster. Das ist aus meiner Sicht nun wirklich ein treffender Begriff, für den es allein deshalb keine deutsche Alternative braucht, weil die so bezeichneten Filme allesamt aus Hollywood kommen. Wenn man das Wort dennoch vermeiden möchte, empfiehlt sich ein Blick ins Wörterbuch: dort finden wir die schönen deutschen Begriffe Kassenschlager, Knüller und Straßenfeger — die klingen zwar alle leicht angestaubt nach den fünfziger Jahren, aber das ist ja eine Zeit, in die die Herren wohl ohnehin gerne zurückkehren würden.
[Nachtrag (2007–08-07): Mehr zu Just in Time und Blockbuster auch in Detlef Guertlers Wortistik.]
Immerhin Werkverkauf und nicht Ab-Werk-Verkauf.
Ich finde zeitgenau und punktgenau auch hinreichend passend als Synonyme für JiT. (Ersteres dürfte 100%ig deutsch sein, aber wenn ich mich recht entsinne, kommt der Punkt von den ollen Römern.)
Als Straßenfeger würde ich ausschließlich Fernsehsendungen bezeichnen, denn die erfordern eine zeitgleiche Abwesenheit aller Zuschauer vom Straßenverkehr, wodurch der namengebende Effekt entsteht. Der Begriff ist aber ohnehin veraltet seit es mehr als drei Programme und erst recht seit es vernünftige Aufzeichnungsgeräte gibt. Die WK2-Kritik des VDS an Blockbuster kann ich nur schwer nachvollziehen, schließlich können Filme auch im Deutschen einschlagen wie eine Bombe – wobei diese Formulierung ein gewisses Überraschungsmoment erfordert, das bei 100‑M$-Produktionen kaum gegeben ist.
Kassenschlager lässt sich auf vieles anwenden, wohingegen Blockbuster auf Kinofilme beschränkt ist. Mir gefällt (Film-)Knüller oder, um das Martialische beizubehalten, Knaller.
Davon abgesehen hat Blockbuster seine Bedeutung als besonders erfolgreicher Kinofilm bei mir inzwischen verloren, da bei Pro 7 so ziemlich jeder Film unter diesem Schlagwort läuft. Blockbuster im traditionellen Sinn erfordern heute ein Steigerungspräfix wie mega.
Die Sprache hat einen guten Magen, sie schluckt zunächst vieles und spuckt es dann wieder aus. Wörter wie ‘Synergieeffekt’ oder ’systemimmanent’ sind inzwischen mausetot, obwohl jeder Wirtschaftsführer sie einstmals als Ausweis seiner Modernität verwenden musste. Dem meisten, was das allgemeine ‘Bullshitting’ in Deutschland UND in den englischsprachigen Ländern derzeit produziert, dem wird es genauso gehen. Von ‘Content’ oder ‘Community’ redet in fünf Jahren keine Sau mehr — weder hier noch dort. Was mich mehr stört, ist der allgemeine Hang zum Superlativischen: Ob es um einen ‘Blockbuster’, ein ‘Mega-Event’ oder auch um einen toitschen ‘Quotengott’ ginge, das ist dabei ziemlich egal: Immer drückt sich eine mir unangenehme Mentalität so aus, die etwas Kokaineskes hat …
@Chat Atkins: In der Pharma-Branche unterliegt der Blockbuster übrigens keinem Hang zum Superlativischen, sondern ist fest definiert: als Medikament, das pro Jahr einen weltweiten Umsatz von mehr als 500 Millionen Dollar macht. Und das ist in der Tat eine Größenordnung, die ein eigenes Wort rechtfertigt — und weil es um globale Umsätze geht, darf es meinetwegen auch gerne ein englisches Wort sein.
@Detlef Guertler: Im Militärischen drückt der ‘Blockbuster’ meines Wissens noch ganz etwas anderes aus — den Inhalt ganzer Häuserblocks wie einen Eiterpickel nämlich. Wenn also das Pharma-Marketing diesen Begriff verwendet, dann erschließt sich mir auf kürzestem Wege zunächst, dass sich dort irgendwelche Marketing-Schnösel offensichtlich als ‘Krieger’ betrachten. Von mir aus auch als ‘Warriors’ …