Die SMS ist eins der überraschendsten und folgenreichsten neuen Medien. Sie ersetzt traditionelle Formen der Kommunikation, wie zum Beispiel die Urlaubspostkarte, den anonymen Anruf bei der Polizei oder den päpstlichen Segen. Sie führt auch zu Verhaltensstörungen — zumindest laut der italienischen Gesellschaft zur Behandlung von Zwangsverhalten, die ein Handy-Syndrom in ihren Katalog aufgenommen hat:
“Handy-Syndrom”-Patienten verzichten auf das Kino, weil das Mobilfunktelefon dort nicht eingeschaltet werden darf, sie benutzen die Geräte zur Überwachung des Partners und kontrollieren ihr Handy sogar in der Nacht auf neue SMS.
Und sie ruiniert Existenzen — ein Warschauer Busfahrer verlor seinen Job, weil er im Rahmen eines Wettbewerbs SMS für 94.000 Zloty verschickt hat, um 100.000 Zloty zu gewinnen.
Wie viele neue Medien erfordert auch die SMS neue Sprachgewohnheiten und die treffen selten auf Gegenliebe. Vor ein paar Monaten haben wir über ein Gutachten des irischen Bildungsministeriums berichtet, das im „Schreiben von SMS, bei dem auf Rechtschreibung und Satzzeichen wenig Wert gelegt wird … eine Gefahr für die traditionellen Sprachkonventionen“ sah.
Diese Woche hat sich die Online-Ausgabe des Remscheider General-Anzeigers der Thematik angenommen und kommt, dank fachkundiger Hilfe durch den Würzburger Sprachwissenschaftler Johannes Schwitalla, zu einer realistischeren Einschätzung:
Einen Sprachverfall befürchtet der Germanistikprofessor aber nicht: „Gäbe es keine SMS, hätten die Kinder noch weniger Schreibpraxis.“ Den SMS-Stil müsste man im Gegenteil positiv sehen: „Fehler werden hier häufig bewusst gemacht. Die Jugendlichen werden sprachkreativ.“
Und dieser Kreativität sind keine Grenzen gesetzt: der Italiener Roberto Bernocco hat angeblich einen 368 Seiten langen Roman auf seinem Handy geschrieben.