Can You English

Von Anatol Stefanowitsch

Gestern war die Eröff­nung der Ausstel­lung „Can you Eng­lish“ in der Bre­mer Stadt­bib­lio­thek, und die hat natür­lich die örtlichen Boden­trup­pen des VdS ange­lockt. Nun habe ich, auf­grund früher­er Post­ings zum VdS und zu englis­chen Lehn­wörtern, bere­its eine Rei­he von Mit­gliedern dieses Vere­ins per Email ken­nen gel­ernt. Ich will deut­lich sagen, dass da ein paar sehr vernün­ftige Men­schen dabei sind, die ern­sthafte Anliegen haben (wie etwa die Ver­ankerung der deutschen Sprache in Insti­tu­tio­nen der Europäis­chen Union) und denen die „Denglisch“-Mätzchen ihrer Vere­insleitung manch­mal sog­ar ein biss­chen pein­lich zu sein scheinen.

Aber die bei­den, die gestern da waren, gehörten nicht zu dieser Sorte. Zunächst fie­len Sie dadurch auf, dass Sie während des gesamten musikalis­chen Begleit­pro­gramms (spek­takulär: The Alvarez The­o­ry) demon­stra­tiv auf die Uhr geschaut und laut vor sich hin gebrum­melt haben. Dann haben sie sich tat­säch­lich erdreis­tet, ihre Pam­phlete auf den Tis­chen zu verteilen (nochmal zum Mit­denken: es han­delte sich um eine Vernissage und nicht um einen Bahn­hofsvor­platz). Und dann kam der Anführer an meinen Tisch und unter­brach ein Gespräch, das ich ger­ade mit einem sehr „Denglisch“-kritischen, aber sach­lich inter­essierten Gast führte.

Ich hätte ja eigentlich gern mit ihm disku­tiert, aber er wollte gar nicht disku­tieren, son­dern nur seine Has­s­botschaft ver­bre­it­en. Er hat keine Minute gebraucht, um die sprach­pflegerische Maske fall­en zu lassen und durch dumpfen Anti­amerikanis­mus zu erset­zen. Das Gespräch ging so:

ER. Sie ver­ste­hen uns falsch, wir haben gar nichts gegen Englisch.

[Ich hat­te das in meinem Vor­trag auch nicht behauptet. Tat­säch­lich hat­te ich den VdS über­haupt nur im Zusam­men­hang mit deren Anglizis­menin­dex erwäh­nt, aus dem ich mir ein paar Beispiele für die Ein­deutschung englis­ch­er Lehn­wörter her­aus­ge­sucht hatte.]

ER. Aber die Men­schen ver­wen­den englis­che Wörter mit deutschen Vor­sil­ben und das ist falsch — wir sagen zum Beispiel gedown­load­et. Diese Sprachver­mis­chung vernebelt das Denken.

ICH. Diese Behaup­tung ist der­ar­tig abstrus, das ich gar nicht weiß, wo ich anfan­gen soll.

[Wenn über­haupt, dann vernebelt wohl die unqual­i­fizierte Beschäf­ti­gung mit Sprachver­mis­chung das Denken.]

ER. Pisa zeigt doch, dass die Schüler wed­er englis­che noch deutsche Texte schreiben kön­nen. Und das liegt an der Sprachvermischung.

ICH. Das liegt wohl eher an zu großen Klassen und zu wenig Lehrern

[Ach ja, und in der Pisa-Studie sind wed­er Fremd­sprachenken­nt­nisse noch die Fähigkeit zur Textpro­duk­tion über­haupt getestet worden.]

ER. Wir sind doch das einzige Land, das sich als ein­und­fün­fzig­ster Bun­desstaat der Vere­inigten Staat­en betrachtet.

ICH. Und Tschüß.

[Das einzige Land? Die New Mod­el Army sieht das offen­sichtlich anders].

Da ich keine Lust hat­te, mir auf diesem Niveau den schö­nen Abend verder­ben zu lassen, habe ich meinen wis­senschaftlichen Mitar­beit­er per Dien­stan­weisung verpflichtet, die Diskus­sion fortzuführen und habe ver­sucht, mein ursprünglich­es Gespräch wieder aufzunehmen (es ging dabei um den Zusam­men­hang zwis­chen englis­chen Lehn­wörtern und der Globalisierung).

Keine zwei Minuten später kommt der VdS-Men­sch wieder an und unter­bricht das Gespräch.

ER. Die Anglizis­men haben nichts mit der Glob­al­isierung zu tun. Das ist kul­turelle Unterwürfigkeit.

ICH. Bitte heute abend keinen Anti­amerikanis­mus mehr. Und wenn, dann bitte nicht als Sprachkri­tik verkleidet.

ER. Wir sind nicht anti-amerikanisch.

ICH (greife nach den „Sprach­nachricht­en“ des VdS, die auf den Tis­chen liegen. Die Titelgeschichte han­delt von der The­o­rie, dass die Amerikan­er uns ihre Sprache aufzwin­gen, um auf diese Weise die Weltherrschaft zu erlan­gen). Ihr schafft es doch nicht ein­mal, das auf der Titel­seite eur­er Clubzeitschrift zu verbergen.

ER. Die Zeitschrift habe ich ja nicht gemacht.

Ein leztes Mal unter­brach er mich, als ich ger­ade dabei war, mich von meinem Kol­le­gen Ian Wat­son, dem Organ­isator der Ausstel­lung, zu verabschieden.

ER. Ich habe ja selb­st in Bre­men Anglis­tik studiert und 1972 meinen Abschluss gemacht.

[Da die Uni­ver­sität Bre­men den Lehrbe­trieb erst im Win­terse­mes­ter 1971/72 aufgenom­men hat, hat er offen­sichtlich sehr schnell studiert].

ICH. Das kann man den Kol­le­gen aber nicht vor­w­er­fen — ich bin mir sich­er, die haben sich alle Mühe gegeben.

ER (zu den anderen). Der junge Mann hier hält mich ja für einen Agitator.

ICH. Agi­ta­tor? Vielle­icht für einen Pausenclown.

Da bin ich natür­lich zu weit gegan­gen, und deshalb möchte ich mich an dieser Stelle in aller Form für meinen Aus­rutsch­er entschuldigen.

Also: liebe Pausen­clowns, es tut mir leid, dass ich euch mit der Agi­ta­toren­truppe vom VdS ver­glichen habe. Das war unfair und es wird nie wieder vorkommen.

Dieser Beitrag wurde am von in Bremer Sprachblog veröffentlicht. Schlagworte: .

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

2 Gedanken zu „Can You English

  1. David Marjanović

    wir sagen zum Beispiel gedownloadet.

    Sagen wir das? In mein­er Erfahrung sagt das nur Microsoft — alle anderen sagen “herun­terge­laden”.

    Antworten

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