Die taz berichtet über die Bibel in gerechter Sprache, die im letzten Jahr erschienen ist und deren vierte Auflage bevorsteht. Presseschauwürdig ist das Übersetzungskonzept der gerechten Bibel:
Die „Bibel in gerechter Sprache“ hat drei fundamentale Übersetzungsprinzipien: Sie soll geschlechtergerecht formuliert sein, die Ergebnisse des jüdisch-christlichen Dialogs berücksichtigen und soziale Gerechtigkeit voranbringen.
Das ist schon ein sehr offenherziger Fall von „Was nicht passt, wird passend gemacht“. Eigentlich ist es ja die Aufgabe des Übersetzers, einen zielsprachlichen Text zu schaffen, der den Inhalt des Originals möglichst genau wiedergibt. Damit das gelingen kann, müssen natürlich unterschiedliche Rahmenbedingungen in der Ursprungs- und der Zielkultur berücksichtigt werden: wenn es Hintergrundwissen gibt, das bei den Lesern des Originals als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, das aber von den Lesern der Zielkultur nicht geteilt wird, muss dieses Wissen in der Übersetzung mit vermittelt werden. Dadurch ist jede Übersetzung natürlich ein Stück weit auch eine Interpretation des Originals. Trotzdem: die Anpassung an die Bedürfnisse der Zielkultur darf nicht so weit gehen, dass Unterschiede zwischen Ursprungs- und Zielkultur einfach weggewischt werden. Sonst müsste man aus den Sklaven in „Onkel Toms Hütte“ tarifvertraglich bezahlte Angestellte machen und aus den Frauen in der „Geschichte der Dienerin“ Leihmütter, die aus Idealismus kinderlosen Paaren helfen wollen.
Obwohl — der Wechsel zu einer anderen Sprache scheint manchmal unerwartete Wunder zu bewirken. Wie der Gießener Anzeiger berichtet, hat die Einführung des Deutschen als Pflichtsprache auf dem Schulhof der Herbert-Hoover-Schule vor anderthalb Jahren nicht nur zur Verbesserung der sprachlichen Kompetenzen geführt (was ja zu erwarten war). Nein, auch „die Zahl der Gewalttaten ist deutlich gesunken“, sagt Schulleiterin Jutta Steinkamp. Erklärt wird dieser unvermutete Zusammenhang so:
Tatsächlich aber sind von den 370 Schülern nur wenige deutscher Herkunft — die anderen sprechen zu Hause eher Türkisch oder Arabisch. „Das hat früher zu vielen Konflikten geführt, weil jede Gruppe auf dem Schulhof die eigene Sprache gesprochen hat und es so zu Missverständnissen kam“, erzählt der serbischstämmige Schulsprecher Nezir Asanovic.
Die Auffassung, dass eine gemeinsame Sprache ein besseres gegenseitiges Verständnis bewirkt während Sprachvielfalt zu Konflikten führt, ist zwar sehr weit verbreitet, aber ich kann sie nicht teilen. Dazu fallen mir zuviele Beispiele für Bürgerkriege ein, in denen alle Beteiligten dieselbe Sprache sprechen. Der Rückgang der Gewalt an der Hoover-Schule ist natürlich durchaus begrüßenswert, aber er dürfte eher dem Hawthorne-Effekt als dem sprachplanerischen Eifer der Schulleitung zuzuschreiben sein.
Aufklärung rund um das Thema „Sprache“ soll eine Wanderausstellung leisten, die diese Woche von Annette Schavan im Rahmen des Jahres der Geisteswissenschaften eröffnet wurde: das Museumsschiff „MS Wissenschaft“ läuft mit dem Thema „Sprache ist mehr als Worte“ in den kommenden Monaten 34 Häfen an, darunter leider nicht Bremen. Die Ausstellung klingt der Beschreibung nach äußerst spannend, und auch das Berufsbild des Sprachwissenschaftlers wird darin geradegerückt:
Linguisten stellt man sich oft am Bücherregal vor, am Schreibtisch. Unsere Linguisten sind auch auf der ganzen Welt unterwegs und leben in Dörfern, sprechen mit Einheimischen und zeichnen dann Sprachdokumente auf, um Sprachen, die vom Aussterben bedroht sind, auch für die Nachwelt zu erhalten als wichtiges Kulturgut.
(Wen so etwas interessiert, der kann übrigens ab Oktober in Bremen in unserem brandneuen BA-Studiengang Linguistik/Language Sciences das Handwerkszeug dazu erwerben). Die schwimmende Ausstellung ist nicht gerade günstig — 1.6 Millionen Euro wird sie insgesamt kosten. Das Bremer Sprachblog wird Sie dagegen auch in der zweiten Hälfte des Jahres der Geisteswissenschaften kostenlos und zuverlässig mit Informationen rund um das Thema Sprache versorgen.
Der Satz „Sprache ist mehr als Worte“ klingt für mich doppelt komisch: Erstens, müsste es nicht Wörter heißen? Zweitens, das Subjekt im Singular und das Prädikatsnomen im Plural — passt für micht irgendwie nicht zusammen.
„Die Geschichte der Dienerin“? Nicht eher „Der Report der Magd“? Das Buch ist doch etwa fünf Jahre älter als der Film …
Jens, ein interessanter Hinweis, da ich dieser Tage ohnehin vorhatte, etwas über das Wort tale zu schreiben und da passt die grauenhafte Übersetzung mit „Report“ sehr schön hinein.
Zu meiner Verteidigung (also gegebenenfalls, daß das den übrigen Kommentarlesern nicht bekannt ist) muß ich sagen, daß ich es nicht selbst so übersetzt, sondern mich nur an den Titel der Übersetzung von Helga Pfetsch gehalten hab.
Ja, das ist natürlich der Titel der offiziellen Übersetzung (wenn die von Ihnen wäre, Jens, dann hätte ich mir die Bewertung mit „grauenhaft“ erspart). Wer Atwoods Roman nicht schon in der Schule lesen musste, der sollte das übrigens unbedingt nachholen (ich habe ihn trotz meiner literarischen Leseschwäche von Anfang bis Ende gelesen). Sicherheitshalber empfehle ich aber das Original.
Lausige Übersetzungen lassen sich nach meiner Erfahrung vorwiegend in Filmen finden, wo schon mal potenzielle Kultsprüche von schlechten Übersetzern brutal in Stücke gehauen werden. In Büchern ist mir das wirklich schmerzhaft bisher nur bei Alice im Wunderland aufgefallen, das aber dank Carrolls Genie in sämtlichen Übersetzungen unweigerlich abschmieren muss… In diesem Zusammenhang kommen wir auch wieder auf tale bzw. tail zu sprechen 🙂
Lausige Übersetzungen und mögliche Folgen:
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/chronologie-einer-falschmeldung/
http://blog.pantoffelpunk.de/archives/1105
MfG
Lausige Übersetzungen Nachtrag:
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/chronologie-einer-falschmeldung-ii/
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/chronologie-einer-falschmeldung-iii/
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/66/sprechen-sie-farsi-nein-unsere-medien-auch-nicht
Cui bono?
Könnte man das Fenster hier zum Kommentieren vielleicht etwas größer gestalten? Es ist äußerst mühsam in so einem begrenzten Ausschnitt vernünftig zu schreiben.
Pax
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