Sprachblogleser NvonX hat mich auf diese schöne Geschichte hingewiesen: Wer beim deutschen Apple Store nach einer „Grafikkarte“ sucht, wird strengstens zur Ordnung gerufen: „Die Suche nach unangemessenen Wörtern wird nicht unterstützt“, teilt einem die Suchmaschine mit, bevor sie mitteilt, dass keine Ergebnisse gefunden wurden und dass man doch bitte die Schreibweise der Suchwörter überprüfen solle.
Nun bemüht sich Apple bekanntermaßen darum, den Kunden Rechner aus einem Guss zu verkaufen, an denen diese keinesfalls einzelne Komponenten austauschen sollen. Aber geht diese Firmenpolitik tatsächlich so weit, dass die Bezeichnungen für solche Komponenten als „unangemessen“ gelten?
Natürlich nicht: bei der Suche nach anderen Ersatzteilen — Memory, Festplatte, etc. — liefert die Suchmaschine klaglos Ergebnisse. Vielmehr hat hier ein sehr amerikanisches Bedürfnis nach Sitte und Anstand zugeschlagen. Die Suchmaschine meint, im Suchbegriff ein unanständiges Wort entdeckt zu haben: Gra-FIKK-arte. Sie verwendet also offensichtlich eine „unscharfe“ Suche, sucht also auch nach Begriffen, deren Schreibweise der des Suchbegriffs nur ähnelt. Diese unscharfe Suche lässt sich dann auch ausnutzen, um tatsächlich Grafikkarten zu finden: gibt man „Grafikarte“ oder „Graphikkarte“ oder sogar das völlig entstellte „Grapikart“ ein, erhält man die gewünschten Informationen.
Aus sprach- und kommunkikationswissenschaftlicher Sicht lässt sich hierzu einiges sagen. Erstens ist die puritanische Weltanschauung hier schlecht implementiert: anstatt gleich zu überprüfen, ob der Suchbegriff sich in der Datenbank findet, sucht die Maschine erst auf der Liste der schmutzigen Wörter. Findet sie dort aufgrund der (offensichtlich ebenfalls schlecht implementierten Unschärfefunktion) einen Treffer, bricht sie die Suche ab. Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden in einer Unterhaltung so vorgehen. Statt zu versuchen, Ihr Gegenüber zu verstehen, würden Sie jedes seiner Worte daraufhin überprüfen, ob es vielleicht entfernt einen Schimpfwort ähnelt. „Ich hätte gerne den Barsch“ — Barsch? Klingt ein bisschen wie Arsch! „Raus hier! Leute wie Sie bedienen wir in diesem Fischgeschäft nicht!“. Stattdessen versuchen wir natürlich, das, was unser Gegenüber sagt, zunächst im Kontext der aktuellen Situation zu verstehen und gehen dabei davon aus, dass sich unser Gesprächspartner kooperativ verhält. Erst wenn diese Annahme sich als offensichtlich falsch erweist, suchen wir nach versteckten Bedeutungen.
Zweitens hat die Suchmaschine von Apple eine äußerst ungenaue Vorstellung davon, welche deutschen Wörter „unangemessen“ sind. Ich erspare es Ihnen hier, aber geben Sie einmal selbst Bezeichnungen für diverse tabuisierte Körperteile und die mit ihnen assoziierten Tätigkeiten ein. Sie werden feststellen, dass die Suchmaschine bei wesentlich unangemesseneren Wörtern als Fick äußerst hilfsbereit nach sinnvollen Interpretationen sucht oder völlig ohne moralische Obertöne mitteilt: „Es wurden keine Artikel für Ihre Suchanfrage gefunden.“ Wenn Apple also aus irgendeinem Grund seine Kunden erziehen möchte, sollte man dort also einen Sprachwissenschaftler fragen, der sich mit Flüchen und Schimpfwörtern auskennt.
Drittens kann man sich fragen, warum Apple überhaupt Wert darauf legt, seine Kunden mit ihrem sprachlichen Fehlverhalten zu konfrontieren. Selbst wenn ich im Apple-Online-Store nach einem „Arsch“ suchen sollte, so bin ich doch immernoch ein potenzieller Kunde. Indem Apples Suchmaschine auf diese Suche beleidigt reagiert, bringt sie mich unnötig in eine Situation, in der ich mich normalerweise entschuldigen müsste. Eine Entschuldigung ist aber für mich ein potenzieller Gesichtsverlust und deshalb vermeide ich das dann lieber und kaufe meine Computer woanders.*
In einigen Fällen legt die Suchmaschine allerdings auch eine unerwartete Weisheit an den Tag:
* Würde ich natürlich nie tun!
Grossartiger Beitrag 🙂