Zerstörerische Briten

Von Anatol Stefanowitsch

Son­ntags räume ich immer meinen Spamord­ner auf und dabei ist mir heute dieser schöne Satz aufgefallen:

Du bist als ein­er von zwei Siegern des BRITISCHEN NATIONALEN LOT­TERIE-Com­put­er­stim­mzet­tels zeichnest vorgewählt wor­den und fol­glich bist du eine priv­i­legierte Empfänger des großar­ti­gen Betrag­preiss von £650,412.00 (sechs hun­dert und fün­fzig tausend vier­hun­dert und zwölf Briten zer­stoßen Ster­ling), im Bargeld. 

Warum tun die das?“ habe ich mich natür­lich sofort gefragt. Wozu brauchen die zer­stoßenes Geld oder zer­stoßene Autos oder zer­stoßene Maschi­nengewehre oder zer­stoßene Katzen oder zer­stoßene — gut, ich hör’ ja schon auf.

Die Lösung des Rät­sels deutet sich ja schon in dem Geld­be­trag an, der vor dem besagten Satz ste­ht. Net­ter­weise haben die Spam­mer aber den englis­chen Orig­inal­text in der sel­ben Email gle­ich mitgeliefert:

You have been select­ed as one of two win­ners of the UK NATIONAL LOTTERY com­put­er bal­lot draws and thus you are a priv­i­leged recip­i­ent of the grand draw prize of £650,412.00 (Six Hun­dred and Fifty Thou­sand Four Hun­dred and Twelve British pounds ster­ling) in cash.

Diesen Text haben die Spam­mer offen­sichtlich mit den Google Lan­guage Tools über­set­zt (pro­bieren Sie es selb­st aus!), und diese Lan­guage Tools haben das Wort pounds für ein Verb gehal­ten (to pound — schla­gen, häm­mern, zertrüm­mern, zer­stoßen, usw.).

Das zeigt zumin­d­est, dass wir keine Angst davor zu haben brauchen, dass die Maschi­nen in näch­ster Zeit die Weltherrschaft übernehmen: wenn pounds das Verb wäre, wäre es ja die dritte Per­son Sin­gu­lar und würde deshalb nicht zu dem Sub­jekt im Plur­al passen. Vor ein­er KI, die das nicht erken­nt, dürfte John Con­nor rel­a­tiv sich­er sein. 

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

6 Gedanken zu „Zerstörerische Briten

  1. A.T.

    Zur Ehren­ret­tung der Com­put­er­lin­guis­tik sei gesagt, dass die kosten­losen Tools von Google (eigentlich Sys­tran) nicht dem aktuellen Stand der Tech­nik entsprechen.

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  2. Frank Oswalt

    Ich habe mal andere Über­set­zungs­di­en­ste aus­pro­biert, mit gemis­cht­en Ergebnissen:

    1. Sie sind als ein­er von zwei Siegern des Vere­inigten Kön­i­gre­ichs NATIONALE LOT­TERIE-Com­put­er­stim­mzettel-Attrak­tio­nen aus­gewählt wor­den, und so sind Sie ein priv­i­legiert­er Empfänger des großar­ti­gen Attrak­tion­spreis­es £ 650,412.00 (Sechs­hun­dert­fün­fzig­tausend­vier­hun­dertzwölf Briten häm­mert Ster­ling), im Bargeld. [http://www.online-translator.com]

    2. Sie sind aus­gewählt wor­den, als Ein von zwei Gewin­nern von den britis­chen NATIONALEN LOTTERIEN Com­put­ern­stim­mzettelnzü­gen und fol­glich Sie ein priv­i­legiert­er Empfänger vom großar­ti­gen Zug­preis von £650,412.00 sind (Sechs Hun­dert und Fün­fzig Tausend Vier Hun­dert und Zwölf britisch schlägt Ster­ling) in bar. [http://ets.freetranslation.com]

    3. Sie sind als ein­er von zwei Siegern des Vere­inigten Kön­i­gre­ichs NATIONALE Lot­terycom­put­er­stim­mzettel-Attrak­tio­nen aus­gewählt wor­den, und so sind Sie ein priv­i­legiert­er Empfänger des großar­ti­gen Attrak­tion­spreis­es von 650,412.00 £ (Sechs­hun­dert­fün­fzig­tausend­vier­hun­dertzwölf britis­ches Pfund-Ster­ling) im Bargeld. [http://translation2.paralink.com]

    Num­mer 3 ist hier die einzige Über­set­zung, die die “British Pounds” richtig über­set­zt hat (ist aber auch an der Mehrzahl gescheit­ert). Inter­es­sant ist auch, dass keine der Über­set­zun­gen “draw” kor­rekt als “Ziehung” über­set­zt hat.

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  3. Christina Hansen

    Was die kom­mende Herrschaft der Maschi­nen angeht:

    durch den ver­welk­enden Sand des Alters”; “Ton­höhen­schwankun­gen eines Wortes hin­ter seinen Augen”; “gerechte empfind­liche Mot­ten, schnell ster­bend — Flat­tern, fal­l­end, abso­lut”; “Gedacht­es Ver­dun­sten”; “Seine Fin­ger, geschrägt im Staub, Kälte als Tod.”; “Blind machende Sonne in den Anstar­renau­gen.”; “Wege. Und Zeit­durch­läufe.”; “Boden hin­ter ihm enträt­selte mit der punk­tierten Lin­ie von Schrit­ten.”; “Sein Abstürzen des voll­ständi­gen Kör­pers, unwider­stehlich geze­ich­net durch den Boden”; “Die Welt­band­spulen. Das Bild zer­bröck­elt, um zu ver­sanden. Er find­et sich auf seinen Knien in ein­er Wüste der aufgelösten Gedächt­nisse. (…) Gedächt­nis, das weg siebt.”

    - Diese expres­sion­is­tis­chen Aper­cus ent­standen, als ich Google Trans­late auf eine Kurzgeschichte (eigen­er Pro­duk­tion, Orig­i­nal­sprache Englisch) losließ. Man kön­nte daraus den Schluß ziehen, daß es mit maschinellen Über­set­zun­gen ja nun noch nicht so sehr weit her ist. Aber wer weiß, vielle­icht täuschen wir uns — vielle­icht sind die Maschi­nen in ihrer ästhetis­chen Entwick­lung ein­fach schon einen Schritt weit­er und haben die Schön­heit des abstrak­ten, absur­den und dis­so­nan­ten entdeckt. 😉

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  4. Christina Hansen

    Adden­dum:

    Ich habe keine Ahnung, weshalb ich das Abstrak­te, Absurde und Dis­so­nante im vorigen Kom­men­tar klein geschrieben habe.

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  5. Anatol Stefanowitsch

    Frau Hansen,

    …vielle­icht sind die Maschi­nen in ihrer ästhetis­chen Entwick­lung ein­fach schon einen Schritt weiter…

    Ihre Beispiele dafür sind sehr überzeu­gend. Also: John Con­nor kann ruhig schlafen, aber die hier soll­ten sich schon mal warm anziehen 😉

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