Die Macher der „Deutschen Sprachwelt“ haben sich tatsächlich erblödet, Natascha Kampusch als „Sprachwahrerin des Jahres“ zu nominieren, mit einer Begründung, die einem die Sprache verschlägt:
Nachdem die 18jährige am 23. August aus ihrem dunklen Verlies befreit wurde, in dem sie von einem Geistesgestörten acht Jahre lang festgehalten worden war, erstaunte sie die Öffentlichkeit mit ihrer Sprachgewandtheit. Die Pflege ihrer Muttersprache hatte ihr offensichtlich geholfen, die schwere Zeit zu überstehen.
Und die Leser haben sie auch brav gewählt. Mit 29,5 Prozent der Stimmen liegt sie nur einen Prozentpunkt hinter der Siegerin, der Kammersängerin Edda Moser. Die wiederum ist sich nicht zu schade, in ihren Kursen an der Kölner Musikhochschule die Verwendung von „Anglizismen“ unter Strafe zu stellen:
Moser: … Meinen Schülern verbiete ich daher alle Anglizismen.
WELT.de: Klappt das?
Moser: Bei wem es nicht klappt, der bekommt Ärger. Studentinnen, die in meinen Seminaren „okay“ sagen, müssen einen Euro zahlen. …
Okay… Ich wünsche von hier aus allen jungen Menschen, dass Sie ohne Angst außerhalb von Kellerverliesen und im Kreise ihrer Familie und ihrer Freunde aufwachsen mögen und ermutige sie, ihren Gefühlen und Gedanken auf jede nur erdenkliche Art sprachlichen Ausdruck zu verleihen — „Anglizismen“, „Jugendsprache“ und „Türkendeutsch“ inklusive.
Auch auf unsere Politiker ist Verlass, wenn es um unqualifizierte Sprachpolitik geht. Die ehemaligen Weinkönigin und CDU-Abgeordnete Julia Klöckner möchte sprachlichen Verbraucherschutz betreiben und uns vor — na, vor was wohl — „Anglizismen“ bewahren. Als Mitstreiter hat sie ihre Parteikolleg/innen Erika Steinbach, Gitta Connemann und Laurenz Meyer gewonnen. Die vier scheinen sich aber nicht ganz einig zu sein, wem sie denn nun genau was verbieten wollen. Sie würden wohl am liebsten mit knallharten Verboten um sich werfen, wenn Meyer nicht wäre, dem am Ende die Interessen der Wirtschaft doch mehr am Herzen liegen als die Reinheit der deutschen Sprache. Zitat: „Wir werden Unternehmen ihre Werbestrategien nicht vorschreiben“. Eine schöne Einsicht. Die muss man jetzt nur noch auf den kleinen Mann und die einfache Frau auf der Straße ausdehnen und einsehen, dass sprachliche Selbstbestimmung ein Zeichen von Demokratie ist. „Anglizismen“ sind Geschmackssache, genau wie bauchfreie T‑Shirts, der Fischmäc von McDonalds und die Musik der Klostertaler. Über all diese Dinge kann man vortrefflich streiten, aber die Politik gehen sie nichts an. Und es sollte mich wundern, wenn die vier keine lohnenderen Gestaltungsaufgaben finden könnten.
Schön langsam können wir OK als Lehnwort behandeln, so wie Fenster. Es ist nicht nur ins Französische (!) und Chinesische (!) eingedrungen, sondern auch in mehrere österreichische Dialekte (wahrscheinlich in alle), komplett mit Lautverschiebung zum offenen E.