Mannheim will „Hauptstadt der deutschen Sprache“ werden, berichtet der Focus. Hergeleitet wird dieser Anspruch aus der Tatsache, dass Mannheim Standort des Instituts für deutsche Sprache und der Dudenredaktion ist. Dadurch (so die ursprüngliche Pressemeldung der Stadt) besitze Mannheim „so eine hohe Konzentration von Kompetenzen in Bezug auf die Erforschung, Förderung und Vermittlung der deutschen Sprache“ wie kaum eine andere deutsche Stadt. Bei allem Respekt — seit wann zeichnen sich Hauptstädte durch eine besondere Konzentration von Kompetenz aus? Aber ich will mich nicht beschweren; im Gegenteil, ich denke, wir haben nochmal Glück gehabt, dass der Duden in der Mythologie deutscher Wörterbücher soviel höher steht als der eigentlich genauso gute Wahrig — sonst hätte am Ende vielleicht auch Gütersloh sprachliche Großmachtgelüste angemeldet. Sowohl die Dudenredaktion als auch das IDS beheimaten übrigens hervorragende sprachwissenschaftliche Kollegen und einer von denen soll hier noch zu Wort kommen, und sei es nur, um unsere Freunde vom Verein deutsche Sprache e.V. ein bisschen zu ärgern:
So erkennt Matthias Wermke [Leiter der Dudenredaktion] beispielsweise nichts Schlechtes an Anglizismen: „Das sind keine schlechteren oder besseren Wörter als andere. Entscheidend ist der Sprachgebrauch in der Gesellschaft. Wenn ein Wort oder ein Ausdruck etabliert ist, hat er auch seine Berechtigung.“
Von der Hauptstadt der deutschen Sprache in die Hauptstadt der Republik: die feministische Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch macht sich im Main-Rheiner Gedanken über die sprachlichen Konsequenzen der Wahl einer Frau ins Kanzleramt. Das Wort „Kanzlerin“ gefällt ihr nicht, da es ständig das Geschlecht unseres Regierungsoberhauptes in den Vordergrund rückt. In der Linguistik nennt man das „(morphologische) Markiertheit“ — viele Wörter haben eine unmarkierte Grundform und eine oder mehrere durch Suffixe markierte Formen. Bei Bezeichnungen für Menschen und Tiere bezeichnet die unmarkierte Form meistens ein männliches Wesen, die markierte Form das weibliche Pendant (Löwe/Löwin, Bär/Bärin, Arzt/Ärztin, Linguist/Linguistin.* Es gibt aber auch Fälle, in denen die Markiertheitsverhältnisse umgekehrt sind: Maus/Mäuserich, Gans/Gänserich, Ente/Enterich. Und diese Ableitungsregel schlägt Pusch nun auch für das Wort Kanzler vor: „Merkel ist Kanzler, Schröder war Kanzlerich“. Wer sich noch an die Elefant/innen-Runde nach der letzten Bundestagswahl erinnert, stimmt mir sicher zu, dass Kanzlerich den Schröderschen Habitus vortrefflich beschreibt. Aber Merkel einfach als Kanzler zu bezeichnen, halte ich für verfrüht. Solange sie sich auf eine Rolle als politische Nachlassverwalterin des Kanzlerichs beschränkt, nennen wir sie lieber „Kanzlerchen“. Das ist ein Neutrum und kann deshalb für Männer und Frauen gleichermaßen verwendet werden.
* Wissenshäppchen Nr. 17: Google mag bei vielen „typisch männlichen“ Berufen die weibliche Form nicht und bietet einem hilfsbereit die männliche Form an („Meinten Sie: …?“): Pilotin, Mechatronikerin, Bauarbeiterin, zum Beispiel — und auch Superheldin.