Die Medienpräsenz der Sprachwissenschaft war diese Woche hauptsächlich durch die selbsternannte „Unwort des Jahres“-Jury bestimmt, die in diesem Jahr die freiwillige Ausreise zum Unwort erkoren hat. Als Sprachwissenschaftler kann man dazu eigentlich nicht viel sagen, denn die Sprachwissenschaft beschäftigt sich mit Unwörtern genausowenig, wie die Zoologie mit Untieren oder die Mathematik mit Unsummen. Die Begründung der Jury hat dann mit Sprache auch nur wenig zu tun:
Freiwillige Ausreise meint in Abgrenzung zum amtlichen Begriff Abschiebung, der Zwangsmaßnahmen beinhaltet, die Konsequenz aus der „intensiven Beratung“ abgelehnter Asylbewerber in den sog. Ausreisezentren, die Bundesrepublik doch lieber von selbst wieder zu verlassen. Die Freiwilligkeit einer solchen Ausreise darf in vielen Fällen bezweifelt werden.
Das macht den Begriff freiwillige Ausreise allerding nicht zu einem Unwort, sondern zu einer Lüge. Und „Lügen haben kurze Beine“, das wusste schon meine Großmutter. Dafür braucht es keine Sprachwissenschaftler.