Was macht ein Artikel aus einem Mann? Was haben Mainstream und Minderheit miteinander zu tun? Wie kann man den Islamischen Staat beleidigen? Wie spricht man in der Ukraine? Und was bedeutete scheinbar früher? Fünf Fragen, fünf Antworten:
- Auf ISOGLOSSE macht sich Christopher Bergmann Gedanken über Artikelverwendung: Warum finden sich immer wieder Konstruktionen wie Der Mann mag das statt Mein Mann mag das? »Was leistet die Verwendung des Definitartikels außerhalb von Kontexten, in denen sowieso klar ist, wer ›der Mann‹ ist? Aus meiner Sicht eine Informalisierung des Textes sowie die Erzeugung von Nähe. Ich werde als Leser, und sei’s nur für die Dauer einer Anekdote, in den Kreis aufgenommen, in dem man sich den – kommunikativ gesehen – übertriebenen Aufwand des Possessivartikels sparen kann, weil auf der Hand liegt ist, wer ›der Mann‹ ist (auch wenn ich, als Leser des Textes, diesen Mann noch nie gesehen habe oder selbst nicht mal von seiner Existenz wusste).«
- Bettina Steiner hat für DIE PRESSE ein kleines Glossar zusammengestellt, in dem sie Wörter beleuchtet, mit denen Politik gemacht wird — zum Beispiel den Mainstream: »Interessanterweise wird stillschweigend vorausgesetzt, dass die Vertreter des Mainstreams gar nicht die Mehrheit stellen – ganz im Gegenteil wird vermutet, eine mächtig gewordene linksgerichtete Minderheit unterdrücke die legitimen Äußerungen eines ganzen Volkes.«
- Dass der Islamische Staat jetzt auch hierzulande gegen seinen Willen zunehmend Daesh genannt wird, haben Sie sicher mitbekommen (z.B. hier) — Alice Guthrie hat für FREE WORD erklärt, warum seine AnhängerInnen das ablehnen: »So what does Daesh really mean? Well, D.A.E.SH is a transliteration of the Arabic acronym formed of the same words that make up I.S.I.S in English: ‘Islamic State in Iraq and Syria’, or ‘لدولة الإسلامية في العراق والشام’ (‘al-dowla al-islaamiyya fii-il‑i’raaq wa-ash-shaam’). That’s the full name chosen by the organisation, and – when used in full – it’s definitely how they want to be referred to. […] And so if the word is basically ‘ISIS’, but in Arabic, why are the people it describes in such a fury about it?« (Eine kürzere Erklärung auf Deutsch hat DRADIO Wissen.)
- Haben Sie schon einmal von Surschyk gehört? Auf POLITICO erklärt Vijai Maheshwari, was es mit diesem russischen Ukrainisch oder ukrainischem Russisch auf sich hat: »As Russian became the lingua franca of the industrialized cities in Ukraine’s heartland, peasants began mixing Russian words into their speech to communicate with city-dwellers — and a form of Ukrainian creole was born. […] the creole language is experiencing a revival in the wake of the revanche of the Ukrainian language in the post-revolutionary era. As more Russian speakers from the cities attempt to speak Ukrainian to fit in with the zeitgeist, they unwittingly end up speaking a reverse form of Surzhyk.«
- Michael Mann weist im LEXIKOGRAPHIEBLOG kurz darauf hin, dass das Gegenteil von scheinbar mal unscheinbar war.
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Das mit Daesh habe ich nicht gewusst, ich nehme das Wort hier auch erstmals bewusst wahr. Danke für die Weiterbildung.
Gleiches gilt für die Formulierung “der Mann” für “mein Mann”; wenn ich das hören würde, ginge ich von ironischem Stolz aus: “Im Unterschied zu allen anderen Menschen, die zufällig männlich sind, ist mein Partner DER Mann.” Aber gut, da interpretiere ich vllt. auch zu viel rein.
Ich verwende “Mainstream” immer noch im Sinne von “vorherrschender Kunstgeschmack, vorherrschende Modeströmung”, nicht im politischen Sinn. Bin ich jetzt endgültig “out”?