Blogspektrogramm 48/2015

Von Kristin Kopf

Was macht ein Artikel aus einem Mann? Was haben Main­stream und Min­der­heit miteinan­der zu tun? Wie kann man den Islamis­chen Staat belei­di­gen? Wie spricht man in der Ukraine? Und was bedeutete schein­bar früher? Fünf Fra­gen, fünf Antworten:

  • Auf ISOGLOSSE macht sich Christo­pher Bergmann Gedanken über Artikelver­wen­dung: Warum find­en sich immer wieder Kon­struk­tio­nen wie Der Mann mag das statt Mein Mann mag das? »Was leis­tet die Ver­wen­dung des Defini­tar­tikels außer­halb von Kon­tex­ten, in denen sowieso klar ist, wer ›der Mann‹ ist? Aus mein­er Sicht eine Infor­mal­isierung des Textes sowie die Erzeu­gung von Nähe. Ich werde als Leser, und sei’s nur für die Dauer ein­er Anek­dote, in den Kreis aufgenom­men, in dem man sich den – kom­mu­nika­tiv gese­hen – über­triebe­nen Aufwand des Pos­ses­si­var­tikels sparen kann, weil auf der Hand liegt ist, wer ›der Mann‹ ist (auch wenn ich, als Leser des Textes, diesen Mann noch nie gese­hen habe oder selb­st nicht mal von sein­er Exis­tenz wusste).«
  • Bet­ti­na Stein­er hat für DIE PRESSE ein kleines Glos­sar zusam­mengestellt, in dem sie Wörter beleuchtet, mit denen Poli­tik gemacht wird — zum Beispiel den Main­stream»Inter­es­san­ter­weise wird stillschweigend voraus­ge­set­zt, dass die Vertreter des Main­streams gar nicht die Mehrheit stellen – ganz im Gegen­teil wird ver­mutet, eine mächtig gewor­dene links­gerichtete Min­der­heit unter­drücke die legit­i­men Äußerun­gen eines ganzen Volkes.«
  • Dass der Islamis­che Staat jet­zt auch hierzu­lande gegen seinen Willen zunehmend Daesh genan­nt wird, haben Sie sich­er mit­bekom­men (z.B. hier) — Alice Guthrie hat für FREE WORD erk­lärt, warum seine Anhän­gerIn­nen das ablehnen:  »So what does Daesh real­ly mean? Well, D.A.E.SH is a translit­er­a­tion of the Ara­bic acronym formed of the same words that make up I.S.I.S in Eng­lish: ‘Islam­ic State in Iraq and Syr­ia’, or ‘لدولة الإسلامية في العراق والشام’ (‘al-dowla al-islaamiyya fii-il‑i’raaq wa-ash-shaam’). That’s the full name cho­sen by the organ­i­sa­tion, and – when used in full – it’s def­i­nite­ly how they want to be referred to. […] And so if the word is basi­cal­ly ‘ISIS’, but in Ara­bic, why are the peo­ple it describes in such a fury about it?« (Eine kürzere Erk­lärung auf Deutsch hat DRADIO Wis­sen.)
  • Haben Sie schon ein­mal von Surschyk gehört? Auf POLITICO erk­lärt Vijai Mahesh­wari, was es mit diesem rus­sis­chen Ukrainisch oder ukrainis­chem Rus­sisch auf sich hat: »As Russ­ian became the lin­gua fran­ca of the indus­tri­al­ized cities in Ukraine’s heart­land, peas­ants began mix­ing Russ­ian words into their speech to com­mu­ni­cate with city-dwellers — and a form of Ukrain­ian cre­ole was born. […] the cre­ole lan­guage is expe­ri­enc­ing a revival in the wake of the revanche of the Ukrain­ian lan­guage in the post-rev­o­lu­tion­ary era. As more Russ­ian speak­ers from the cities attempt to speak Ukrain­ian to fit in with the zeit­geist, they unwit­ting­ly end up speak­ing a reverse form of Surzhyk.«
  • Michael Mann weist im LEXIKOGRAPHIEBLOG kurz darauf hin, dass das Gegen­teil von schein­bar mal unschein­bar war.

2 Gedanken zu „Blogspektrogramm 48/2015

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  2. Mycroft

    Das mit Daesh habe ich nicht gewusst, ich nehme das Wort hier auch erst­mals bewusst wahr. Danke für die Weiterbildung.
    Gle­ich­es gilt für die For­mulierung “der Mann” für “mein Mann”; wenn ich das hören würde, gin­ge ich von iro­nis­chem Stolz aus: “Im Unter­schied zu allen anderen Men­schen, die zufäl­lig männlich sind, ist mein Part­ner DER Mann.” Aber gut, da inter­pretiere ich vllt. auch zu viel rein.
    Ich ver­wende “Main­stream” immer noch im Sinne von “vorherrschen­der Kun­st­geschmack, vorherrschende Mode­strö­mung”, nicht im poli­tis­chen Sinn. Bin ich jet­zt endgültig “out”?

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