Die WELT hat mich gestern in einem Artikel über die Nahost-Berichterstattung mehrfach falsch zitiert. Ich habe das hier im Sprachlog umgehend richtig gestellt, habe eine Korrektur der Online-Versionen der Artikel gefordert (die auch zeitnah erfolgte) und habe darum gebeten, in der Druckausgabe eine Richtigstellung zu drucken.
Heute erschien dann folgende „Klarstellung“:
Im Zusammenhang mit unserer Berichterstattung über die Kritik an Tendenzen isrealfeindlicher Berichterstattung in den deutschen Medien (“Welt” vom 23. Juli: “Ein Großteil deutscher Medien berichtet voreingenommen”) legt der von uns zitierte Sprachwissenschaftler Prof. Anatol Stefanowitsch (FU Berlin) Wert auf die Feststellung, dass er solche Tendenzen in der Berichterstattung nicht für “ausschlaggebend für antijüdische Aggressionen auf deutschen Straßen” hält. Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bitten wir das zu entschuldigen.
Dass sich Politiker/innen, Medienhäuser und andere öffentliche Akteur/innen lieber für die Eindrücke entschuldigen, die ihre Handlungen hervorrufen, als für die Handlungen selbst, ist ja bekannt, aber das hier ist meine persönliche „Nichtschuldigung“ des Jahres.
Der „Eindruck“, für den die WELT sich hier entschuldigt, ist entstanden, weil sie mir Zitate einer politischen Gruppierung in den Mund gelegt habt, die genau diesen Eindruck vermitteln sollen.
DAS HAT DIE WELT LEIDER VERGESSEN ZU ERWÄHNEN.
Ich wollte keine Entschuldigung, ich wollte eine Klarstellung, dass man mich mehrfach mit Aussagen und Formulierungen zitiert hat, die nicht von mir stammen und in keiner Weise dem ähneln, was ich dem Autor des betreffenden Artikels in einem Telefoninterview erzählt habe.
Wenn das Qualitätsjournalismus ist, braucht der Journalismus keine Feinde mehr.
Pingback: Gegendarstellung zu “Großteil der Medien berichtet voreingenommen” (Die Welt, 23./24. Juli 2014) – Sprachlog
Dann zieh’ doch jetzt die formelle Gegendarstellungs-Liturgie durch. Davor haben die in der Regel ziemliche Angst.
Ich möchte der letzten These etwas zurufen: Nein, das ist kein Qualitätsjournalismus, das ist “Die Welt”. Rumpelblatt.
Pingback: Diskriminierte menschen des tages | Schwerdtfegr (beta)
Es gibt sicherlich dankbarere Situationen für einen Journalisten, als in einen Disput von Sprachwissenschaftlern über Tendenzen der Nahost-Berichterstattung hineinzugeraten. Zumal wenn der Anlass dafür die eigene Berichterstattung über eben diese Tendenzen ist. Um es also noch einmal und nochmals unmissverständlich zu sagen:
Im Zusammenhang mit unserer Berichterstattung über die Kritik an Tendenzen isrealfeindlicher Berichterstattung in den deutschen Medien (“Welt” vom 23. Juli: “Ein Großteil deutscher Medien berichtet voreingenommen”) legt der von uns zitierte Sprachwissenschaftler Prof. Anatol Stefanowitsch (FU Berlin) Wert auf die Feststellung, dass er solche Tendenzen in der Berichterstattung nicht für “ausschlaggebend für antijüdische Aggressionen auf deutschen Straßen” hält. Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bitten wir das zu entschuldigen.
Auch lag es mir als Autor des genannten Artikels fern, Herrn Prof. Stefanowitsch in die Nähe einer medienkritischen Kölner Initiative zur rücken — die anders als er — einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Tendenzen in der einschlägigen Berichterstattung und “antijüdischen Aggressionen” sieht.
Es dient allerdings meiner Meinung nach weder der Klärung von Missverständnissen, noch bringt es die Auseinandersetzung über das Thema auch nur einen Schritt weiter, in diesem Zusammenhang Ressentiments gegen einen Verlag oder einzelne Zeitungen zu pflegen. Aber solche pauschalen Missverständnisse lassen sich offenbar nur sehr viel schwerer klären, als mein Missverständnis einer konkreten Aussage von Herrn Prof. Stefanowitsch. Letzteres hoffe ich jedenfalls nun unmissverständlich ausgeräumt zu haben.
Ulrich Clauß
Die WELT, Politikredakteur
Bei der “Welt” darf man sich aber auch nicht wundern, dass dann eine Nichtschuldigung dabei rumkommt. Denn wie heißt es in den Unternehmensgrundsätzen des Axel Springer Verlags:
“Die fünf gesellschaftspolitischen Unternehmensgrundsätze, 1967 von Axel Springer formuliert, nach der Wiedervereinigung 1990 geändert und 2001 ergänzt, sind Bestandteil der Unternehmenssatzung. Sie beschreiben ein freiheitliches Weltbild:
(…)
2. Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes.
(…)”
Da fehlt nur der Zusatz “um jeden Preis”.
@ JJ Preston: Ich sehe nicht, was dieser gesellschaftspolitische Grundsatz, an dem ja nun wirklich nichts auszusetzen ist, mit der Tatsache zu tun hat, dass die Klarstellung der WELT-Redaktion so unvollständig ausgefallen ist.