In dem am 22.7.2014 auf WELT.de und am 23.7.2014 in der Druckausgabe der WELT und der Berliner Morgenpost erschienenen Artikel „Gaza-Konflikt: Großteil der Medien berichtet voreingenommen“ von Ulrich Clauß werde, bzw. wurde ich unter anderem mit folgenden Aussagen zitiert:
“Artikelüberschriften sind oft propagandistisch – gegen Israel ausgerichtet.” Das sei einer der Gründe, “warum es zu antijüdischen Aggressionen auf deutschen Straßen gekommen ist”, analysiert beispielsweise der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch, Professor an der Freien Universität Berlin.
“Ein Großteil deutscher Medien berichtet immer noch voreingenommen – unter Auslassung von Fakten, die zu einem besseren Verständnis innerhalb der Bevölkerung führen könnten. Artikelüberschriften sind oft propagandistisch – gegen Israel ausgerichtet. Das ist einer der Gründe, warum es zu antijüdischen Aggressionen auf deutschen Straßen gekommen ist”, so der Sprachforscher weiter.
In der Druckausgabe werden diese Zitate außerdem im Anriss des Artikels wie folgt zusammengefasst:
Sprachforscher: Israelfeindliche Tendenzen in TV und Presse sind mitverantwortlich für antijüdische Aggressionen bei Demonstrationen
In der Online-Ausgabe wird, bzw. wurde das Zitat im Teaser direkt wiederholt:
Die überwiegend propalästinensische Berichterstattung in deutschen Medien gerät in die Kritik. Ein Sprachforscher macht sie mitverantwortlich für “antijüdische Aggressionen auf deutschen Straßen”.
Hierzu stelle ich fest: Diese Zitate stammen nicht von mir, sondern aus der Facebook-Ankündigung einer Demonstration mit dem Titel „Wir fordern eine faire Berichterstattung zu Israel“, angemeldet von Frau Monika Winter (die Ankündigung ist auf Facebook nicht mehr vorhanden, einen Screenshot habe ich hier archiviert).
Ich distanziere mich in aller Deutlichkeit von diesen mir fälschlicherweise zugeschriebenen Aussagen. Ich habe mit der betreffenden Demonstration und der Initiative dahinter nichts zu tun und kenne Frau Winter nicht.
Richtig ist lediglich, dass ich Schlagzeilen deutscher Medien zu den aktuellen Ereignissen in Israel und Gaza ausgewertet und dabei festgestellt habe, dass Israel überdurchschnittlich häufig als Akteur genannt wird (siehe hier und hier).
Hinter diesen Ergebnissen stehe ich nach wie vor, aber die Behauptung dass diese Schlagzeilen „einer der Gründe“ für „antijüdische Aggressionen auf deutschen Straßen“ seien, entspricht weder meiner Meinung, noch lässt es sich in irgendeiner Form aus meinen Analysen schließen. Auch in einem Telefoninterview mit dem Autor des Artikels habe ich keine diesbezüglichen Aussagen gemacht. ((Ich habe dem Autor per E‑Mail nur folgende zwei Zitate autorisiert, die in dem Artikel ebenfalls verwendet werden:
„Es fällt auf, dass Israel als Akteur in dem Konflikt namentlich wesentlicher häufiger in den Schlagzeilen genannt wird als die Gegenseite. Zudem taucht das Wort ‘Israel’ bzw. ‘israelisch‘’auffällig häufig in Kombination mit militärischen Institutionen und Aktivitäten auf. Bei dem Wort ‘palästinensisch’ ist eine wesentlich größere Vielfalt zu beobachten.“
„Die von mir untersuchten Nachrichtenschlagzeilen deuten auf eine Perspektivierung hin, die Israel stärker in die Verantwortung nimmt, als die andere Seite in diesem Konflikt. Ich unterstelle dabei keine absichtliche Täuschung, vielmehr drückt sich für mich bei dieser Titelei ein einseitige Denkweise aus, wobei die Texte,über denen diese Zeilen stehen, meistens sehr viel differenzierter sind.“
))
Sprache kann zwar prinzipiell eine Auswirkung auf unser Verständnis von und unsere Perspektive auf bestimmte Sachverhalte haben, aber dass subtile sprachliche Muster in den Überschriften von Zeitungen in einem direkten ursächlichen Zusammenhang zum Verhalten einzelner Menschen oder Gruppen von Menschen stehen, ist nach meiner Meinung als Kognitions- und Sprachwissenschaftler mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Ich halte die Überschriften auch nicht für „propagandistisch“, da dies eine Absicht seitens der verantwortlichen Redaktionen suggeriert. Ich vermute, dass es sich um eingeschliffene Denkmuster handelt, die weitgehend unbewusst reproduziert werden.
Ich habe den Autor des Artikels noch gestern Nacht kontaktiert und um Korrektur der Online-Versionen des Artikels gebeten. Diese Korrektur ist inzwischen erfolgt, die Zitate werden nun einer „Kölner Initiative“ zugeschrieben. Da die korrigierte Version bei oberflächlicher Lektüre den Eindruck vermitteln könnte, ich sei Teil dieser Initiative, stelle ich ausdrücklich fest, dass ich weder Teil dieser Initiative bin, noch deren politische Anschauungen teile.
Die WELT hat in ihrer Druckausgabe vom 24.7.2014 außerdem eine Klarstellung veröffentlicht, die allerdings nichts klarstellt.
- Online-Ausgabe (22.7.2014): aktuelle Version/archivierte Originalversion.
- Druck-Ausgabe (23.7.2014): aktuelle Version/archivierte Originalversion.
Da brauchste dich nicht zu wundern. Deine Recherche ist ja auch nicht gerade repräsentativ. Die ersten 25 Treffer unter “News” zeigen ja wirklich nur eine kleine Auswahl der neuesten Nachrichten. Und da das direkt nach dem Rückschlag Israels war ist ja klar, dass Zeitungen dann Israel als Akteur in der Schlagzeile haben, oder? Wenn du die gleiche Methode 1 oder 2 Tage vorher angewendet hättest, oder über eine passenden Zeitraum hinweg immer wieder wiederholt hättest wäre das Ergebnis evtl. anders ausgefallen. Das ist keine Basis für eine richtige Schlussfolgerung. Is ja klar, dass die Presse das nicht gut findet. Klar, falsche Zitate entschuldigt das auch nicht, aber immer erst mal an die eigene Nase fassen 😉
Außerdem bezweifle ich , dass es “eingeschliffene Denkmuster {…}, die weitgehend unbewusst reproduziert werden” gegen Israel gibt. Woher sollen die denn kommen im Nachkriegsdeutschland?
@ Ky: Schon in den Kommentaren habe ich ja die Ergebnisse einer Analyse des nächsten Tages berichtet, die das Ergebnis bestätigt hat. Danach habe ich die Analyse mit 170 Überschriften, die über einen Zeitraum von sechs Tagen verteilt waren, wiederholt, die hat das Ergebnis ebenfalls bestätigt. Was zeigt: Meine Analyse war tatsächlich repräsentativ (man muss halt nur wissen, was „repräsentativ“ bedeutet). Was das mit falsch zugeordneten Zitaten zu tun hat, ist mir allerdings schleierhaft.
Was Ihren letzten Satz angeht – falls Sie den tatsächlich ernst meinen – empfehle ich Ihnen, sich mit der Forschungsliteratur zu israelbezogenem Antisemitismus zu befassen. Fangen Sie mal hier an.
@ Ky:
Na ja, wenn es wieder en vogue ist, sich vor Synagogen zusammenzurotten und “Judens**, komm heraus!” zu brüllen, müssen da ja gewisse Denkmuster vorhanden sein.
@1
m(
Also hätte, wenn und könnte…Belege sehe ich keine.
Evtl. kann man die gleiche Analyse auch über das komplette Jahr 1997 machen, wer weiß. Ich behaupte mal angelehnt an dich: JA.
Und woher kommen wohl die Denkmuster im (betont! Nach(!)kriegsdeutschland…tja, naja auf keinen Fall gibt es antisemitische Tendenzen.…Aber das hattest du bestimmt ohnehin bezweifelt. Und damit wäre ja dann jedewege Analyse widerlegt…m(
@ Orry: Idioten gibt es halt überall. Ich würde das Verhalten von ein paar Ärs**en, die sich vor Synagogen versammeln nicht gleich auf die ganze Gesellschaft übertragen.
Ich weiß nicht, ob es hierher passt, aber die Berichterstattung im gestrigen (22. Juli) heute journal passte auch sehr gut ins Schema, das die Palästinenser als Opfer und die Israelis als Täter darstellt.
Nachdem über eine deutsche Familie berichtet wurde, die durch die aus Israel abgeschossenen Raketen ums Leben gekommen war und Palästinenser gezeigt wurden, die sehr ruhig und höflich sprachen, wurde übergeleitet mit den Worten, auch in Israel leide man unter dem Krieg und es seien auch dort schon 27 Soldaten (!) ums Leben gekommen. Gleich drauf wurden schreiende Israelis gezeigt, die sich für härteres Durchgreifen aussprachen; es wird von “Wut und Hass” der Israelis gesprochen.
Ich unterstelle dem ZDF bestimmt keinen Antisemitismus, aber die ersten sechs Minuten der Sendung waren in meinen Augen sehr tendenziös.
@ rolf kanert: Beispiele für tendenziöse Berichterstattung (ob absichtlich oder unabsichtlich) lassen sich sicher für beide Seiten im Konflikt finden, deshalb sind Einzelbeispiele oft qualitativ interessant, es lässt sich aber nicht viel aus ihnen schließen. Das ist ja der Grund, warum ich eine größere Zahl von Schlagzeilen (zunächst 40, dann noch einmal 25, und dann 170) analysiert habe.
Kommt das nur bei mir so rüber, oder suggeriert die “korrigierte” Version, dass Du zu dieser Kölner Initiative gehören würdest?
Bei der ersten Erwähnung sind sowohl Tätigkeit als auch Vorname komplett weg, und sie folgt direkt auf den (konstruierten?) Zusammenhang zwischen Überschriften und antijüdischen Aggressionen sowie die Erwähnung besagter Initiative.
Auch Deine zweite Erwähnung — immerhin nun mit Tätigkeit, aber ohne Vorname — folgt direkt auf eine Aussage der Kölner Initiative, womit Deine Anlayse weiterhin als Beweis dienen soll, dass dass die Medien antijüdisch voreingenommen seien.
Im Prinzip gibt es also immer noch einen Konflikt zwischen Deiner tatsächlichen Aussage und dem, was die “Welt” als Deine Aussage darstellt.
Oder würde da der Fachmann widersprechen?
@ jj preston: Danke für den Hinweis, habe das im Text noch klargestellt
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“Ich vermute, dass es sich um eingeschliffene Denkmuster handelt, die weitgehend unbewusst reproduziert werden.”
Ich denke, es liegt eben auch sehr an der Asymmetrie des Konflikts. Auf der einen Seit der Staat Israel mit Regierung, Armee, Pressesprechern, Medien etc. Klar als Entität greifbar.
Auf der anderen Seite die Hamas, eine mehr oder weniger anonym in die Bevölkerung Palästinas eingebettete, amorphe, schwer zu greifende Personengruppe. Nur schwer als ein Entität zu greifen.
@ Christoph: Wie ich auch dem Kommentator vor Ihnen gesagt habe, diese Einwände sind in den Kommentaren bereits aufgebracht und beantwortet worden.