Wenn ich mit Büchern, Spielen und Fernsehsendungen zur deutschen Sprache berühmt geworden wäre, ohne besonders viel von der deutschen Sprache zu verstehen; wenn ich dann einen offenen Brief von ein paar österreichischen Reaktionären mitunterzeichnet hätte, in dem die fordern, sprachlichen Sexismus zur Norm zu machen; wenn mich dann die Wiener Zeitung fragen würde, warum ich das getan habe, dann würde ich antworten, dass ein „angesehener Wiener Autor“ mich in einem „höflichen, formvollendeten Stil“ darum gebeten habe (man würde verstehen, dass ich angesehenen Autoren nichts abschlagen kann, und dass etwas, das höflich und formvollendet formuliert ist, nicht falsch sein kann).
Wenn man mich dann fragte, ob „sprachliches Gendern“ auch in Deutschland „emotional besetzt“ sei, würde ich meine diesbezügliche Ahnungslosigkeit für mich behalten (ich müsste ja nicht extra darauf hinweisen, dass ich mich mit dieser Frage ebenso wenig ernsthaft befasst habe, wie mit dem Genitiv, dem Dativ oder anderen Aspekten der deutschen Sprache). Stattdessen würde ich feministische Vorschläge zu einer gerechteren Sprache mit „Zensur“ gleichsetzen. Aber nicht irgendeiner, sondern der „unter den Nazis oder dem DDR-Regime“.
Wenn man mich fragte, ob ich die Initiative aus „sprachphilosophischen, soziologischen oder persönlichen Gründen“ unterstütze, würde ich das zur Sicherheit rundum bejahen (sonst käme ja vielleicht eine Nachfrage zur Sprachphilosophie oder Soziologie). Dann würde ich darauf hinweisen, dass es mir vor allem um die Diskussion an sich gehe, um eine Anregung zum Denken und Nachdenken (denn Nichts fördert das Nachdenken so sehr, wie die Festschreibung reaktionärer Werte in einer Industrienorm).
Würde ich darum gebeten, den Punkt zu benennen, an dem es mir „reichte“, würde ich von der „Misshandlung“ der Grammatik sprechen. Da ich für eine solche Misshandlung kein Beispiel wüsste (denn wie gesagt, ich verstünde ja nicht viel von Grammatik), würde ich das Beispiel von den Mitgliederinnen aus der Mottenkiste holen. Ich würde es als Beispiel dafür anführen, welchen Sprachgebrauch die Feministinnen „erzwingen“ wollen. Dass niemand dieses Wort jemals irgendwo gefordert oder auch nur vorgeschlagen hat, würde ich verschweigen (wenn es mir überhaupt bewusst wäre).
Nach der österreichischen Nationalhymne und den in den Text nachträglich eingefügten „großen Töchtern“ gefragt, würde ich auf den „Willen des Volkes“ verweisen. Ein „Referendum“ des „gesamten Volkes“ würde ich fordern. Eine Hymne, so würde ich forsch behaupten, sei „zu wichtig, um sie irgendwelchen Ausschüssen und Gremien zu überlassen“. Man würde mir bei soviel demokratischem Eifer sicher nachsehen, dass mir die Textgeschichte der österreichischen Hymne gänzlich unbekannt ist, ebenso wie die Tatsache, dass es ja auch nie ein Referendum über den Text gegeben hat, zu dem die Reaktionäre zurückkehren möchten.
Wenn man mich dann fragte, ob es nicht etwas übertrieben sei, Menschen, die das Binnen‑I propagieren als „kämpferische Sprachfeministinnen“ zu bezeichnen und mit „diktatorische Regimen“ gleichzusetzen (wie der von mir unterzeichnete offene Brief es täte), würde ich ablenken (damit nicht auffiele, dass ich selbst ein paar Antworten weiter oben feministische Sprachkritik mit diktatorischen Regimen gleichgesetzt habe). Stattdessen würde ich meinen Wunsch zum Ausdruck bringen, zu sterben, bevor jemand auf die Idee kommt, Schillers „Die Räuber“ zu „Die RäuberInnen“ umzudichten. Erstens, weil die Andeutung, ich hätte tatsächlich Schillers Räuber gelesen, mich als hochgebildeten Menschen dastehen lassen würde; zweitens, weil wohl niemand umhin käme, einen Menschen zu bewundern, der lieber den Tod in kauf nimmt, bevor er Frauen erwähnt.
Bäte man mich dann, zu einer Pressemitteilung der österreichischen Hochschüler_innenschaft Stellung zu nehmen, in der diese eine geschlechtergerechte Sprache einfordern, würde ich den Inhalt der Mitteilung ignorieren und mich auf irgendeinen randständigen Interpunktionsfehler in ihr einschießen. Bevor die Studierenden die amtliche Zeichensetzung nicht fehlerfrei beherrschten, würde ich feststellen, sein die „Geschlechterfrage“ ein „Luxus“ (es wird ja wohl allen einleuchten, dass Kommas wichtiger sind als Frauen).
Hakte man mit einem interpunktionsfehlerfreien Zitat der Bildungs- und Frauenministerin nach, die ebenfalls geschlechtergerechte Sprache fordert, müsste ich ablenken. Es böte sich an, völlig zusammenhangslos Alice Schwarzer ins Spiel zu bringen – man müsse nun ja statt Steuerhinterzieher auch Steuerhinterzieherinnen sagen. Abschließend würde ich feststellen, dass es in der Diskussion gar nicht um die Rechte der Frauen geht (weshalb, so würde man mich hoffentlich verstehen, die sich einfach heraushalten sollten), sondern um die „Sprach-Ästhetik“. „Sprache“, so würde ich schwelgen, sein ein „allgemeines Kulturgut“, weshalb Feministinnen (die ja, so würde man mich hoffentlich verstehen, kein Teil unserer Kultur sind) die Finger davon lassen sollten. Es sei „anmaßend, ja gefährlich, sie per Verordnung für politische Zwecke instrumentalisieren zu wollen“, würde ich das Gespräch beenden (denn wie könnte ich besser erklären, warum ich einen offenen Brief unterzeichnet habe, der Sprache per Verordnung für politische Zwecke instrumentalisieren will).
Mit andern Worten, ich würde alles ganz genauso machen wie Bastian Sick.
Wunderschön geschrieben, ich hab bei einigen Passagen tatsächlich lachen müssen. Ich find die Seite übrigens super obwohl ich kein Linguist bin und so meine Probleme damit habe sprachliche Normen die unterbewusst eingehalten werden zu benennen. Es ist immer alles auf eine Weise geschrieben die es auch “Normalsterblichen” ermöglicht die Zusammenhänge zu nachzuvollziehen. Besonders mag ich übrigens die Texte bei denen es um Besonderheiten von anderen Sprachen geht. Den Text über die Vokalharmonie im türkischen (schon älter) hab ich mir schon mehrmals durchgelesen. Großes Lob!
http://www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/balla-balla-mon-schiri/
- so viel zum Thema Bastian Sick…
@Nathalie: jupp, das hat mich damals auch zu einem Kommentar veranlasst.
Der angebliche Interpunktionsfehler im Zitat der “Hochschüler_innenschaft” ist in Wirklichkeit noch nicht mal einer:
“Wir sind entsetzt, dass im 21. Jahrhundert ernsthaft gefordert wird auf weibliche Bezeichnungen zu verzichten.”
Infinitivgruppen mit “zu” müssen laut § 75 des amtlichen Regelwerks nur in drei Fällen durch ein Komma abgetrennt werden, von denen hier keiner vorliegt:
http://www.korrekturen.de/regelwerk/zeichensetzung2-1d.shtml
Sehr hübsch. Fehlt vielleicht nur noch dieses:
Wenn man weiters in mich dränge, würde ich vielleicht erwähnen, dass es immerhin “die Sprache” heiße, es also um ein Femininum gehe, für das ich mich einsetze, ich also von vorneherein gar nicht die Frauen als solche marginalisieren könnte sondern gar ein echter Feminist sei.
@Clemens: Ist mir auch aufgefallen – zusätzlich behauptet er noch, Interpunktion sei Teil der Grammatik, was ja noch falscher ist. ^^
Spannend! Danke für Ihre Beiträge
Höchst vergnügliche Lektüre, vielen Dank!
Schöner Text,
leider nichts logisch nachvollziehbares und jede Menge Widersprüche.
Nun, unveränderliche Formen, sind eben nicht Teil der Wirklichkleit, sondern der geschaffenenen Realität. Sprache dient nicht mehr der Verständigung, sondern der Manipulation.
Gerechtigkeit ist ein Zustand zwischen Menschen, durch Sprachform wird diese nicht bestimmt.
Dem emotionalen kreationistischem Pfaffen ist das egal, er will ja nur seine Botschaft an den MANN bringen…Die Verkündigung der einzig wahren Wahrheit.
Sehr gut, aber bevor der Autor sich nicht sämtlicher simpler Rechtschreibfehler entledigt hat, werde ich diesen Text nicht weiter lesen;-D
Siehe “Bevor die Studierenden die amtliche Zeichensetzung nicht fehlerfrei beherrschten, würde ich feststellen, sein die „Geschlechterfrage“ ein „Luxus“ (es wird ja wohl allen einleuchten, dass Kommas wichtiger sind als Frauen).”
Sehr böse und sehr witzig! Vielen Dank!
Reaktionär scheint Ihr Lieblingswort zu sein? Der offene Brief ist m.E. notwendig und richtig. Ihre Kritik hingegen ist feminstisch-zynisch, man wahnt sich auf der “Gutmensch” Seite und schreibt lässig, siegessicher, was auch die Lobeshymnen aus den Kommentaren bestätigen. Studenten bleiben alle, Studerenden und StudentInnen ist gerade geschlechtsbetont, — also sexistisch. Auch grammatisch schlicht falsch, die Ideologievergifteten kümmerte das jedoch nie besonderes.
Sind die vielen „randständigen Fehler“ im Text Absicht, um Herrn Sick mal so richtig zu ärgern? 😉
Pingback: Umleitung: vom Schavan-Dossier über Spionage und Antisemitismus zum Flugzeugabsturz in Elpe. | zoom
Um im Stil des Textes zu bleiben: Wenn man mich fragen würde, ob ich einen offenen Brief schreibe, würde ich diesen zumindest auf falsche Interpunktion hin korrigieren lassen.
Nachtrag: Ich würde mich freuen, wenn mehr Leute im Sinne etwa von Kleist die Interpunktion als Bestandteil der Grammatik ansähen.
Die Interpunktion ist aber kein Bestandteil der Grammatik, von daher wäre Ihre Freude rein subjektiv.
Muss es nicht Reaktionär_innen heißen? Oder sollen die beteiligten Frauen unsichtbar gemacht werden?
Die beteiligten Frauen haben mit Ihrer Unterschrift unter diesem Brief klar und deutlich darum gebeten, nicht mit femininen Formen angesprochen zu werden.
@Maxim: Erklären Sie uns vielleicht auch noch, was an “Studierenden” (bei denen Ihnen offenbar ein Buchstabe abhanden gekommen ist) grammatisch falsch ist? Und dass Ihre Einstellung auf dieser Seite eine Minderheitenmeinung darstellt und Herr Stefanowitsch aus dem Publikum seines eigenen Blogs Beifall entgegenschlägt, ist nicht eben eine Sensation…
Es ist Sommer also gibt es noch weniger Recherche als sonst. Nicht gewöhnliche Reaktionäre sondern Rechtsextreme
aus dem Kreis der Österreichischen Landsmannschaft(http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme-organisationen)haben mit ihrem Verein muttersprache.at (E‑Post statt E‑Mail, Einwahl statt Login, Nebelmond statt November) einige Promis ganz böse hinters Licht geführt. Der gemeinsame Feind Frau eint erstmals in größer Öffentlichkeit
Rechtsextremisten und bürgerliche Intellektuelle wie Konrad Paul Liessmann.
Ist Herr Liessmann ein intellektueller Analphabet weil er den Kontext eines
von ihm unterschriebenen Textes nicht erkennt?
Kontext:
http://www.muttersprache.at
http://www.oelm.at
http://www.germanvictims.com/deutsche
Das ist alles andere als harmlos.
Außerdem ist der Verweis „Reaktionär_in“ ungefähr so sinnvoll, sprachlich korrekt und lustig wie „Mitglied_in“ oder „Grün_in“. Also gar nicht.
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@Vilinthril
Interessant. Ich hatte jetzt Reaktionär in einer Reihe mit Millionär, Sekretär usw. gesehen.
@Anatol Stefanowitsch
In diesem Fall wäre es ja keine direkte Ansprache, aber okay.
Das Interview ist tatsächlich erschreckend. Mehr kann ich dazu nicht schreiben, weil ich es ja ablehne, zu pathologisieren.
“Muss es nicht Reaktionär_innen heißen?”
Nominalisierungen von Adjektiven und Partizipien gehören zu den wenigen Wörtern, die ‘common gender’ im Deutschen haben, zumindest schwach flektiert. Also sie nehmen “die” und “der” (und “das”), also “die/der Große”, “die/der Reaktionäre”, “die/der Abgeordnete”, “die/der Studierende”. Deshalb: *“Reaktionärin” *“Grünin”. Da “Millionär” und “Sekretär” nicht nominalisierte Formen (in diesem Sinne) sind, gilt das für jene nicht.
“Studierende” ist deshalb natürlich gerade nicht geschlechtsbetont (und schon gar nicht grammatikalisch falsch).
“würde ich das Beispiel von den Mitgliederinnen aus der Mottenkiste holen. Ich würde es als Beispiel dafür anführen, welchen Sprachgebrauch die Feministinnen „erzwingen“ wollen. Dass niemand dieses Wort jemals irgendwo gefordert oder auch nur vorgeschlagen hat, würde ich verschweigen (wenn es mir überhaupt bewusst wäre).”
Das stimmt so nicht.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d‑92536984.html
So viel Konjunktiv ist dem Bastian Sick bestimmt sein Tod…
Es bleibt jedem unbenommen, seine Texte so zu schreiben wie er will. Wer will, soll auch das Binnen‑I verwenden. Wer es nicht will, soll es lassen dürfen.
Was gegen den Vorschlag spricht, das Volk zu befragen, ob in offiziellen Texten das Binnen‑I oder Querstriche oder zweigeschlechtliche Dopplungen aufgenommen werden sollen leuchtet mir nicht ein. Solche grundlegenden Fragen sind für Volksentscheide sehr gut geeignet. Auch das Beispiel der Rechtschreibreform ist gut getroffen..
Wäre ich nicht gerade erst auf den Blogeintrag vom 16. Juli gestoßen und hätten nicht schon andere vor mir das Thema wieder ausgebuddelt, müsste ich mich für die Blog-Nekromantie schämen.
@Thorsten: Der Vorschlag von Luise Pusch mag geäußsert worden sein, allerdings ist die gute Dame auch für satirisch-überspitzte Forderungen bekannt. Insofern ist die Aussage des Blogeintrags vielleicht nicht ganz korrekt, aber ein “niemand… jemals irgendwo ernsthaft” würde die Sache wohl erledigen. Der Germanistinnenverband hat m.W. nie “Mitgliederinnen” vorgeschlagen oder gefordert, sondern nur ein (einziges?) Mal selbst verwendet.
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Was bei feministischen Diskussionen immer hilft, ist die Betrachtung des Gegenteils des status quo. Frauen seien ja automaitsch in der männlichen Form inbegriffen und wüssten dies auch, darum sei eine weibliche Form nicht notwendig, heißt es ja oft. Darum rate ich zur Umkehrung dieser Annahme: Wenn ich stets die weibliche Form verwende, sind die Männer dann logischerweise auch inbegriffen und wissen das auch. Also: “Ich begrüße meine werten Kolleginnen zu dieser Tagung und darf darauf hinweisen, dass alle unsere heutigen Rednerinnen im Anschluss an diese Veranstaltung an einer Frage-und-Antwort-Runde teilnehmen.” Kehrt man das eine Extrem in sein Gegenteil um, wird einem häufig erst das Ausmaß der Benachteiligung bewusst.
Sprache formt denken. Schließen wir die weibliche Form weiter aus Reden und Texten etc. aus, tragen wir nur dazu bei, dass Frauen weiterhin als weniger präsent und dadurch weniger kompetent und in der Konsequenz als nicht gleichwertig angesehen werden.
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