Hier nun also das Video meines Vortrags „Sprachpolizeiliche Ermittlungen“ von der re:publica 2014, ergänzt um die wichtigsten im Vortrag erwähnten Texte, weitere Links und Berichte zum Vortrag und eine PDF-Datei der Präsentation.
Wichtigste im Vortrag erwähnte Texte
- AG Feministisch Sprachhandeln der Humboldt-Universität zu Berlin: Was tun? Sprachhandeln – aber wie? W_Ortungen statt Tatenlosigkeit. [PDF (3.6 MB)] (Der Text, dessen Vorschläge in den letzten Wochen für so viel Belustigung gesorgt hat; Interview mit Lann Hornscheidt (Professur Gender Studies, HU Berlin) zu den Hintergründen).
- Stadt Wien: Leitfaden für geschlechtergerechtes Formulieren und eine diskriminierungsfreie Bildsprache (2011) [PDF (1,3 MB)] (Gutes Beispiel eines Leitfadens für geschlechtergerechte Sprache)
- S_HE: Performing the Gap: Queere Gestalten und geschlechtliche Aneignung (arranca 28, 2003) (Früher Text zum Gender_Gap)
- Luise Pusch: Brauchen wir den Unterstrich? Feministische Linguistik und Queer Theory, Teil 1 (Laut & Luise, 2011) (Kritische Bewertung der Gender_Gap aus feministischer Perspektive)
Links
- Interview zum Vortrag bei dctp.tv (6.5.2014)
- Berliner Zeitung: „So war Tag eins der re:publica“ (6.5.2014)
- taz: re:publica 2014, der 1. Tag (6.5.2014)
Präsentation
Weitere Vorträge
- YouTube-Playlist mit weiteren Vorträgen von mir zu den Themen gerechte Sprache, Sprachkritik usw.
Danke für diesen Vortrag. Möchte trotzdem auf ein Detail aufmerksam machen, das mich stört: Die Sache mit den Klischees. Ich stimme inhaltlich zu, dass die beschriebenen Verhaltensweisen kontraproduktiv und überhaupt zweifelhaft sind. Das sind sie aber nicht, weil sie Klischees sind, sondern aus ihrer jeweiligen eigenen Beschaffenheit. Und warum mir das wichtig ist ist ein anderer Kontext, in dem diese Formulierung immer wieder auftaucht, nämlich wenn von Mitgliedern einer marginalisierten Gruppe erwartet wird, sich von dieser zu distanzieren, indem sie nur ja keine dieser Gruppe zugeschriebenen und als negativ bewerteten Eigenschaften zeigen. Also: Wenn ich als Sprachprogressive nicht tatsächlich Sprachpolizei spiele, weil ich das aus Gründen falsch finde: gut. Wenn ich es vermeide, um nicht die Klischees zu bestätigen und jemandem “Genugtuung zu verschaffen” oder “meiner Sache zu schaden”: Nicht gut, denn während das “nur” eine politische Ansicht ist, würde ich mich mich aufgrund dieser Verbindung doch fragen, welche Teile meiner Identität ich denn im selben Atemzug verleugnen soll, um “es ihnen nicht so leicht zu machen” oä.
In der Tat ein sehr interessanter Vortrag, vielen Dank. Eine Frage hätte ich noch, die zwar nur am Rande mit dem Thema zu tun hat, die ich mir hier im Sprachlog aber schon ein paar mal gestellt habe. Und zur Sicherheit: Ja, mich interessiert die Antwort wirklich (ich stelle sie also aus intelektueller Neugierde) 😉
Warum Inhaltswarnungen? Ich wundere mich da jedes mal darüber.
Ich meine, ihr seid doch Sprachwissenschaftler. Ihr untersucht diskriminierende Sprache. Sind die durchschnittlichen Internetbenutzer/-innen wirklich nicht in der Lage, zu unterscheiden, ob /über/ “böse” Wörter geredet wird oder ob sie als solche /benutzt/ werden?
Oder steckt da mehr dahinter, auf was ich nicht selbst komme?
Die Inhaltswarnungen sind für diejenigen, die durch diese Sprache direkt diskriminiert werden und die bei Bedarf die Möglichkeit haben sollen, sich das nicht anzusehen/durchzulesen, um mit diesen Wörtern nicht konfrontiert zu werden.
Im Vortrag werden drei Fehlschlüsse erwähnt, kann man irgendwo die anderen auch nachlesen?
Zitat:
M. Meinung, eine Unserung:
Nur eine Sprachgemeinschaft oder eine Sprachgruppe (für den internen Verkehr) kann Konventionen verändern — nach Übereinkunft.
“Profx”-Lösungen sind Unsinn.
@Langenberg Weil Professor/innen kein Teil der Sprachgemeinschaft sind?
Danke für den interessanten Vortrag. Ich begrüße jeden Versuch, diesen Streit mal ein bisschen mit Information und Rationalität anzureichern. Davon bräuchten wir viel, viel mehr, und ich würde auch sagen: auf beiden Seiten.
Eines hat mir allerdings gefehlt, das für Form und Verlauf dieser Konflikte m.E. nicht unwichtig ist: Die Neuerungen der “Sprachprogressiven” im Sinn des Vortrags beinhalten moralische Vorwürfe und Urteile an die Adresse der in diesem Sinn nicht so Progressiven. Das kommt in Begriffen wie “Sprachhandeln” oder sogar “sprachliche Gewalthandlung” zum Ausdruck. Wenn Leute, die ganz normal und ohne böse Absicht sprechen, wie sie es gelernt haben, pauschal und en masse zu Gewalttätern erklärt werden, dann erklären sich daraus deren oftmals wütende Reaktionen, einschließlich der von Ihnen beklagten Weigerung, sich zu informieren. Wenn Sie eine Kommunikation mit einem moralischen Urteil über das Gegenüber eröffnen, werden Sie selten zu fruchtbaren Resultaten kommen.
Damit sage ich gar nichts über den Wert und die Berechtigung der jeweiligen sprachlichen Neuerung im Einzelnen, die ich persönlich von Fall zu Fall beurteilen würde, statt mich in irgend ein Lager zu stellen. (Konkret: Ich sehe das Problem diskriminierender Sprache, aber ich sehe es nicht unbedingt überall, wo andere es sehen, und ich muss deswegen auch nicht jeden Lösungsvorschlag gut finden.) Vielleicht würden die hier als progressiv Bezeichneten ihrer Sache besser dienen, wenn sie sich beim Herumvorwurfen ein wenig mäßigen würden und ein Minimum an zivilem Respekt auch für die zeigen würden, die sie als Feinde identifiziert haben, statt sie eben einfach als Feinde zu identifizieren und zum Abschuss freizugeben (zugespitzt natürlich). Und vielleicht wäre es auch ihrem eigenen Glück zuträglicher, die Gesellschaft und die Sprache nicht immer nur unter dem Gesichtspunkt von Gewalt, Ausschlüssen und unversöhnlichen Antagonismen zu betrachten und in der Konsequenz den ganzen Tag und überall lauter Täter und schlechte Menschen zu sehen. Das kann ja nur deprimierend sein und zur Verzweiflung führen und wird den so Beurteilten auch sicher nicht gerecht.
Danke für die Antwort.
Das heißt, die Inhaltswarnung bezieht sich nicht (nur) auf die tatsächlich gebrauchte Sprache in Form von Beispielen sondern allgemein auf die Tatsache, dass über Diskriminierung gesprochen wird?
Irgendwie habe ich es immer nur auf die bestimmten Worte/Ausdrucke bezogen …
Aber wenn/falls ich das jetzt so richtig verstanden habe, ist das für mich auch einleuchtender.
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Lieber Herr Stefanowitsch,
bitte vergleichen Sie N- und Z‑Wort-Verwendung in Ihrem Vortrag, danke.
Danke für den spannenden und unterhaltsamen Vortrag. Eine Anmerkung hätte ich aber doch noch. Ich finde das Beispiel, was du beim “intentionalen Fehlschluss” gewählt hast, nicht ganz gelungen. Du lässt Dave sagen, dass er die Bezeichnung “Zigeuner” nicht schlimm findet, weil fahrendesvolk-romantik-leckerschnitzel. Im Vortrag kommt es so rüber, als ob man das auch für sich so meinen könnte und damit also wirklich keine negativen (aka antiziganistischen) Bilder verbinden würde. Das Negative träte dann erst auf, wenn Dave auf die Mehrheitsgesellschaft trifft und diese mit dem Wort ganz andere Bilder verbinden. Mein Problem ist nun, dass bereits die vermeintlich positiven Vorstellungen die du Dave in den Mund legst, zutiefst Antiziganistisch sind. Markus End hat in seinen Veröffentlichungen recht überzeugend dargelegt, dass vermeintlich positive Bilder wie Abenteuerlust, freiheitsliebend und musikalisch sein etc. eigentlich nur die zweite Seite einer antiziganistischen Medaille sind und bei genauerer Betrachtung die selben Dinge meinen, die du der Mehrheitsgesellschaft in die Bubble packst (“asozial”, “Bettler” usw.). Sprich, ich bin mir nicht sicher, ob dein Dave selbst wirklich das meint, was er sagt.
Der Punkt soll hier nicht sein, dass Daves Interpretation nicht rassistisch wäre, sondern, dass sich Dave nicht auf seine individuelle Interpretation berufen kann, wenn die völlig von der der Sprachgemeinschaft insgesamt ist. Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, hätte ich die Fehlschlüsse aber noch etwas stärker ausdifferenziert.
Interessanter Vortrag, leider viel zu schnell und hecktisch vorgetragen. Ich kann nur hoffen, dass Sie nicht verdolmetscht wurden, ich müsste den Kollegen sonst sehr bedauern. Wie kommt das? Sie sind es doch als Dozent gewohnt, vor Publikum zu reden. Nervosität kann es also kaum sein. Haben Sie das alles schon so oft gesagt, dass Sie es selber langweilig finden und daher möglichst schnell hinter sich bringen möchten? Das wäre bedauerlich, gerade für eine Dozenten. Oder versuchen Sie, soviel wie nur möglich in die kurze Zeit, die Ihnen zugestande wurde, hineinzupressen? Das wäre ein sehr typischer Fehler. Sie überfordern viele Zuhörer, die nicht ohnehin wissen, was Sie sagen wollen. Sie rennen offene Türen ein, aber erreichen gerade die nicht, die das, was Sie meinen, nicht kennen. Bei Re:publica spielt es vermutlich keine Rolle, aber ich musste nach 20 min. aufgeben. Schade, aber es wurde mir zu hecktisch.
Ich schliesse mich Martin an: kann man das alles irgendwo nachlesen? Sie schreiben viel besser als Sie reden (oder ich lese besser als ich zuhöre)
Zu “Ferrer” über mir möchte ich sagen, dass ich den Vortrag ebenfalls relativ “hektisch” fand. Ich habe mir das damit erklärt, dass möglichst viele Informationen in relativ kurzer Zeit abgehandelt werden sollten. Ich konnte dem Inhalt zwar bis zum Ende problemlos folgen, würde aber lügen, wenn ich sagen würde, dass es nicht meine volle Aufmerksamkeit erfordert hätte. Dabei hat sicherlich geholfen, dass ich selbst (wenn auch fachfremder) Wissenschaftler bin und aus persönlichem Interesse bereits einige der dargestellten Dinge kannte. Man muss daraus wohl schließen, dass jemand mit durchschnittlichem Intellekt und ohne Vorkenntnisse völlig verloren gewesen wäre. Leider ist dies genau die Gruppe, die solch einen Vortrag dringend nötig hätte.
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