#seniorenwort

Von Anatol Stefanowitsch

Das Jugend­wort des Jahres hat gestern gle­ich zwei Sprachlogle­serin­nen dazu angeregt, das Fehlen eines Senioren­wortes als Gegen­stück zu fordern oder dessen Fehlen zu monieren. Da wir vom Sprachlog für Wörter­wahlen immer zu haben sind, haben wir nicht lange gezögert und per Twit­ter zu Nominierun­gen aufgerufen:

Die Reak­tion hat uns dann etwas über­wältigt: In den ersten zwölf Stun­den kamen über 7000 Tweets von über 1800 Twit­ter­ern und Twit­terin­nen zusam­men, das Hash­tag #senioren­tweet regierte unange­focht­en die deutschen Twit­tertrends. Den ganzen Tag kamen neue Tweets hinzu, und da inzwis­chen auch die Medi­en und Bild.de bericht­en, kann das natür­lich noch eine Weile so weitergehen.

Die Auswer­tung der ersten 12 Stun­den zeigt, dass haupt­säch­lich alt­modis­che Wörter und/oder Wörter für Dinge getwit­tert wur­den, die es nicht mehr gibt oder die ger­ade ver­schwinden (ein paar Gemein­heit­en wie FDP, Sozialdemokratie und Face­book sind auch dabei). Vere­inzelt wurde auch Kri­tik an der aktuellen Poli­tik geübt, indem Wörter Pri­vat­sphäre oder Vollbeschäf­ti­gung unter die ver­al­tenden Wörter gemis­cht wurden.

An der Spitze der am häu­fig­sten genan­nten Wörter liegt unange­focht­en die Wählscheibe – wenn wir wirk­lich ein Senioren­wort des Jahres suchen wür­den, wäre das also unser Kan­di­dat. Aber natür­lich hat es gar keinen beson­deren Bezug zum laufend­en Jahr und wird von Senioren und Senior­in­nen nicht häu­figer ver­wen­det, als von anderen. Das einzige neue Wort unter den Top 50 der meist­ge­nan­nten Begriffe ist Neu­land, das aber nicht von Senior/innen aufge­bracht wurde, son­dern von ein­er Poli­tik­erin im besten Alter, die (lei­der) beru­flich noch sehr aktiv ist.

Sie dür­fen sich deshalb alle Ihr eigenes Senioren­wort des Jahres auswählen. Dazu liefern wir Ihnen hier die Top 50 (bzw. 55, da die let­zten zwölf Wörter auf der Liste gle­ichauf liegen und wir bei 50 keinen sin­nvollen Schnitt machen kön­nen). Da wir kein Qual­itätsmedi­um sind, machen wir natür­lich keine Klick­strecke daraus ((Nach­trag: Aber die Rheinis­che Post hat das nachge­holt und bietet am Ende ihres Artikels über das Senioren­wort tat­säch­lich alle 55 Wörter zum Durchk­lick­en an…)), son­dern liefern sie in einem Rutsch.

  1. Wählscheibe
  2. Fräulein
  3. Ost­zone
  4. Tele­fonzelle
  5. Sende­schluss
  6. Telegramm, Test­bild, Groschen
  7. früher, Back­fisch
  8. Rente, Libero, Heiermann
  9. Tanz­tee, Rechenschieber
  10. Son­ntags­brat­en
  11. Datasette, Schuh­wichse, Muck­e­fuck, Raider
  12. FDP, damals
  13. Band­salat, Gute Butter
  14. Schreib­mas­chine, Diskette, Langspielplat­te, Vollbeschäftigung
  15. Schallplat­te, Reklame, Auss­teuer, Henkel­mann, Face­book, Gamm­ler, Walk­man, Kaffeekränzchen
  16. Münzfern­sprech­er, Neu­land, Kit­telschürze, Schlüpfer, Dauer­welle, Her­rengedeck, Privatsphäre
  17. Bahn­steigkarte, Halb­starke, Sozialdemokratie, Fisi­ma­ten­ten, Gram­mophon, Füllfeder­hal­ter, Flim­merk­iste, Modem, Hit­pa­rade, Kurschat­ten, Fer­nge­spräch, Badeanstalt

[Nach­trag: Der große Erfolg der Aktion hat etwas Medi­en­berichter­stat­tung nach sich gezo­gen, zum Beispiel im Stern, der Rheinis­chen Post und der Neuen Osnabrück­er Zeitung.]

31 Gedanken zu „#seniorenwort

  1. Eva

    Badeanstalt und Halb­starke scheinen mir ein echte Senioren­wörter zu sein; denn Schwimm­bäder und Jugendliche sind ja keineswegs aus­gestor­ben, nur sagt das nie­mand mehr so. Meine Eltern benutzen auch gerne die etwas altertüm­lich anmu­ten­den Wörter Rund­funkzeitung und Teletext.

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  2. analog

    Obschon — Behuf — wohllöblich — dienst­willigst — her­nach — zuvor -
    Lochkarte — Dis­pens — Süt­ter­lin — Kurrent
    Com­mers — Glotze — But­ter­brot — Dzug/interregio — Spar — HB — Stunde Null
    Schlüpfer — Stan­iol­pa­pi­er — Apperatischik

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  3. Jess

    das Fehlen eines Senioren­wortes als Gegen­stück zu fordern”?
    Da stimmt doch was nicht!
    (Muss nicht freigeschal­tet wer­den, solche Kom­mentare will eh nie­mand lesen, aber gesagt haben wollt’ ich’s trotzdem…)

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  4. Trulla

    Für mich ist z.B. Gute But­ter, Bohnenkaf­fee und Muckefuck
    eine Erin­nerung an meine Oma. So um die 60ger Jahre.
    Ich kenne zwar noch alle, die hier aufge­führt sind, aber das
    sind meine Favoriten.

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  5. Evanesca Feuerblut

    Die Idee finde ich auf jeden Fall gut :). Nur lei­der fällt mir kein Wort ein, das ich beitra­gen kön­nte, denn…

    1. rede ich selb­st teil­weise so geschwollen wie eine ältere Dame (was bisweilen bei meinem Gegenüber starke Irri­ta­tio­nen aus­löst *g*)

    2. ist die ältere Gen­er­a­tion in meinem Ver­wandtenkreis nicht deutschsprachig, ich kann also nicht vorschla­gen, was sie sagen :).

    Aber generell finde ich Wort­no­minierun­gen grund­sät­zlich IMMER schön und lese auch die Posts dazu gern, nur kom­men­tiere ich nicht immer (frei nach dem Mot­to: Wenn ich nichts Gutes zu sagen habe, halte ich die Fin­ger still).

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  6. Max

    Ich finde, das dass eine sehr gute Idee ist, auch wenn es anfangs wohl nur eine Schnappsidee(=Seniorenwort?) war. Doch meis­tens die Besten

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  7. Thomas

    Auch wenn ich noch nicht so genau weiß, wie KursChat­ten geht — die Idee gefällt mir, klingt so ähn­lich wie eine Twitterwall.

    Aber im Ernst: Es fällt schw­er, da was zu nen­nen, weil ich ganz bewusst einen weit­en Wortschatz pflege, auch mit dem Risiko blöd angeschaut zu werden 🙂

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  8. Ferrer

    Wun­der­schöne Idee! Hat jemand schon Licht­bil­dausweis oder Fer­n­meldeamt vorgeschla­gen? Anschrift statt Adresse, ist das auch Senior­ig, oder nur Beamtig?
    Man kön­nte natür­lich, wenn wir schon am preisver­lei­hen sind, ein Beamten­wort des Jahres ausloben.

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  9. Gerald Fix

    Christoph: +1

    Kein Wort wird so pen­e­trant von Senioren wie mir ver­wen­det. (Früher war’s natür­lich noch viel schlimmer.)

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  10. MannFühlIchMichAlt

    Luft­pos­tum­schlag

    8‑Minuten-Takt

    Fahrkarten­locher

    Moon­boots

    Die “Pilzköpfe”

    Telemark(schwung)

    Elek­tro­nenge­hirn

    Bubikopf

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  11. Alex

    Der Artikel von Spiegel Online ist ja furcht­bar: “Heutzu­tage würde man solche Frauen eher Schlampe oder Bitch nen­nen.” Das Wort “Flittchen” mag ausster­ben, aber die Ein­stel­lung dahin­ter wird in deutschen Qual­itätsme­di­en liebevoll kultiviert.

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  12. Klaas

    Müsste ein Senioren­wort nicht eher eine aktuelle Neuschöp­fung/-prä­gung sein, die der heuti­gen Lebenswelt der Senioren entspringt? Ich denke da an so etwas wie das ziem­lich hässliche Wort “Pflege­polin”, das ich im Bekan­ntenkreis mein­er Oma öfter mal gehört habe… Aber es gibt doch bes­timmt auch ein paar schöne Neuschöp­fun­gen aus der Altersgruppe?

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  13. Susanne

    Habe gestern im Radio einen Beitrag zur Senioren­wort­suche gehört. Da schlug eine Dame zwei Wörter vor, die die Jugend ihrer Mei­n­ung nach nicht mehr ken­nt: “Bitte” und “Danke”. Wahrschein­lich kann man das Ganze nur mit Ironie betrachten…

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  14. Pingback: Alle reden über das „Seniorenwort des Jahres“ - sechs & sechzig

  15. Wolfram

    Eigentlich gibt es nur ein Wort, dass hier ange­bracht erscheint, weil es
    — häu­fig gebraucht wird
    — eigentlich unange­bracht ist
    — weil mit Stereotypen/Vorurteilen aufgeladen.
    Es ist:
    Senior / Senioren

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  16. Hans Peter Roggensack

    Wer etwas Spaß haben will und einen Ein­blick in die Lebens­be­din­gun­gen der “Ade­nauerära” (wohl auch ein Senioren­wort), der kann mal nach “Kranzgeld” googeln. Das Wort ist allerd­ings auch unter Senior­In­nen ausgestorben. 🙂

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  17. Pingback: Raum und Freude » Blog Archiv » Wochenschau (5)

  18. Stefan

    Noch unüblich­er als Jean­shose ist wohl die Nieten­hose, hat­te meine Oma immer gesagt.
    Son­st, passend zu Wei­h­nacht­en, da gab es mal die Wei­h­nachts­but­ter, mit der man ver­sucht hat But­ter­berg und Milch­see schrumpfen zu lassen…
    Gibt es nicht mehr und die Jün­geren ken­nen das sich­er nicht mehr.

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  19. Pingback: Seniorenwort des Jahres 2013 | sinusfunktion

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