Das Jugendwort des Jahres hat gestern gleich zwei Sprachlogleserinnen dazu angeregt, das Fehlen eines Seniorenwortes als Gegenstück zu fordern oder dessen Fehlen zu monieren. Da wir vom Sprachlog für Wörterwahlen immer zu haben sind, haben wir nicht lange gezögert und per Twitter zu Nominierungen aufgerufen:
Leserin vermisst auf FB ein „Seniorenwort des Jahres“. Aber da lässt sich doch etwas machen! Vorschläge unter #seniorenwort
— Anatol Stefanowitsch (@astefanowitsch) 26 November 2013
Die Reaktion hat uns dann etwas überwältigt: In den ersten zwölf Stunden kamen über 7000 Tweets von über 1800 Twitterern und Twitterinnen zusammen, das Hashtag #seniorentweet regierte unangefochten die deutschen Twittertrends. Den ganzen Tag kamen neue Tweets hinzu, und da inzwischen auch die Medien und Bild.de berichten, kann das natürlich noch eine Weile so weitergehen.
Die Auswertung der ersten 12 Stunden zeigt, dass hauptsächlich altmodische Wörter und/oder Wörter für Dinge getwittert wurden, die es nicht mehr gibt oder die gerade verschwinden (ein paar Gemeinheiten wie FDP, Sozialdemokratie und Facebook sind auch dabei). Vereinzelt wurde auch Kritik an der aktuellen Politik geübt, indem Wörter Privatsphäre oder Vollbeschäftigung unter die veraltenden Wörter gemischt wurden.
An der Spitze der am häufigsten genannten Wörter liegt unangefochten die Wählscheibe – wenn wir wirklich ein Seniorenwort des Jahres suchen würden, wäre das also unser Kandidat. Aber natürlich hat es gar keinen besonderen Bezug zum laufenden Jahr und wird von Senioren und Seniorinnen nicht häufiger verwendet, als von anderen. Das einzige neue Wort unter den Top 50 der meistgenannten Begriffe ist Neuland, das aber nicht von Senior/innen aufgebracht wurde, sondern von einer Politikerin im besten Alter, die (leider) beruflich noch sehr aktiv ist.
Sie dürfen sich deshalb alle Ihr eigenes Seniorenwort des Jahres auswählen. Dazu liefern wir Ihnen hier die Top 50 (bzw. 55, da die letzten zwölf Wörter auf der Liste gleichauf liegen und wir bei 50 keinen sinnvollen Schnitt machen können). Da wir kein Qualitätsmedium sind, machen wir natürlich keine Klickstrecke daraus ((Nachtrag: Aber die Rheinische Post hat das nachgeholt und bietet am Ende ihres Artikels über das Seniorenwort tatsächlich alle 55 Wörter zum Durchklicken an…)), sondern liefern sie in einem Rutsch.
- Wählscheibe
- Fräulein
- Ostzone
- Telefonzelle
- Sendeschluss
- Telegramm, Testbild, Groschen
- früher, Backfisch
- Rente, Libero, Heiermann
- Tanztee, Rechenschieber
- Sonntagsbraten
- Datasette, Schuhwichse, Muckefuck, Raider
- FDP, damals
- Bandsalat, Gute Butter
- Schreibmaschine, Diskette, Langspielplatte, Vollbeschäftigung
- Schallplatte, Reklame, Aussteuer, Henkelmann, Facebook, Gammler, Walkman, Kaffeekränzchen
- Münzfernsprecher, Neuland, Kittelschürze, Schlüpfer, Dauerwelle, Herrengedeck, Privatsphäre
- Bahnsteigkarte, Halbstarke, Sozialdemokratie, Fisimatenten, Grammophon, Füllfederhalter, Flimmerkiste, Modem, Hitparade, Kurschatten, Ferngespräch, Badeanstalt
[Nachtrag: Der große Erfolg der Aktion hat etwas Medienberichterstattung nach sich gezogen, zum Beispiel im Stern, der Rheinischen Post und der Neuen Osnabrücker Zeitung.]
Badeanstalt und Halbstarke scheinen mir ein echte Seniorenwörter zu sein; denn Schwimmbäder und Jugendliche sind ja keineswegs ausgestorben, nur sagt das niemand mehr so. Meine Eltern benutzen auch gerne die etwas altertümlich anmutenden Wörter Rundfunkzeitung und Teletext.
So viele Substantive … ich denke eher an herzig und fesch.
Obschon — Behuf — wohllöblich — dienstwilligst — hernach — zuvor -
Lochkarte — Dispens — Sütterlin — Kurrent
Commers — Glotze — Butterbrot — Dzug/interregio — Spar — HB — Stunde Null
Schlüpfer — Staniolpapier — Apperatischik
Ich denke, “früher” ist die richtige Wahl. Schließlich war früher alles besser.
“das Fehlen eines Seniorenwortes als Gegenstück zu fordern”?
Da stimmt doch was nicht!
(Muss nicht freigeschaltet werden, solche Kommentare will eh niemand lesen, aber gesagt haben wollt’ ich’s trotzdem…)
Feine Idee, man ist sowieso länger älter als jung. So lassen sich auch hübsche alte Wörter bewahren oder als “Neuentdeckung” in den aktiven Sprachschatz aufnehmen : )
Für mich ist z.B. Gute Butter, Bohnenkaffee und Muckefuck
eine Erinnerung an meine Oma. So um die 60ger Jahre.
Ich kenne zwar noch alle, die hier aufgeführt sind, aber das
sind meine Favoriten.
Die Idee finde ich auf jeden Fall gut :). Nur leider fällt mir kein Wort ein, das ich beitragen könnte, denn…
1. rede ich selbst teilweise so geschwollen wie eine ältere Dame (was bisweilen bei meinem Gegenüber starke Irritationen auslöst *g*)
2. ist die ältere Generation in meinem Verwandtenkreis nicht deutschsprachig, ich kann also nicht vorschlagen, was sie sagen :).
Aber generell finde ich Wortnominierungen grundsätzlich IMMER schön und lese auch die Posts dazu gern, nur kommentiere ich nicht immer (frei nach dem Motto: Wenn ich nichts Gutes zu sagen habe, halte ich die Finger still).
Ich finde, das dass eine sehr gute Idee ist, auch wenn es anfangs wohl nur eine Schnappsidee(=Seniorenwort?) war. Doch meistens die Besten
Gutebutter! Das ist EIN Wort!!!
wie wärs denn mit Knicks und Diener — das kennen die Junioren doch nicht mehr :lach: = Senioren spezial, oder ?
Auch wenn ich noch nicht so genau weiß, wie KursChatten geht — die Idee gefällt mir, klingt so ähnlich wie eine Twitterwall.
Aber im Ernst: Es fällt schwer, da was zu nennen, weil ich ganz bewusst einen weiten Wortschatz pflege, auch mit dem Risiko blöd angeschaut zu werden 🙂
Meine Mutter benutzt immer noch eine “Radiozeitung” um ihr “Fernsehprogramm” anzusehen.…
Wunderschöne Idee! Hat jemand schon Lichtbildausweis oder Fernmeldeamt vorgeschlagen? Anschrift statt Adresse, ist das auch Seniorig, oder nur Beamtig?
Man könnte natürlich, wenn wir schon am preisverleihen sind, ein Beamtenwort des Jahres ausloben.
Das “Lichtspieltheater” vermisse ich leider…
Christoph: +1
Kein Wort wird so penetrant von Senioren wie mir verwendet. (Früher war’s natürlich noch viel schlimmer.)
Hat niemand den Freiumschlag vorgeschlagen? Der fehlt mir hier, aber ich war offensichtlich zu spät…
Luftpostumschlag
8‑Minuten-Takt
Fahrkartenlocher
Moonboots
Die “Pilzköpfe”
Telemark(schwung)
Elektronengehirn
Bubikopf
Der Artikel von Spiegel Online ist ja furchtbar: “Heutzutage würde man solche Frauen eher Schlampe oder Bitch nennen.” Das Wort “Flittchen” mag aussterben, aber die Einstellung dahinter wird in deutschen Qualitätsmedien liebevoll kultiviert.
Müsste ein Seniorenwort nicht eher eine aktuelle Neuschöpfung/-prägung sein, die der heutigen Lebenswelt der Senioren entspringt? Ich denke da an so etwas wie das ziemlich hässliche Wort “Pflegepolin”, das ich im Bekanntenkreis meiner Oma öfter mal gehört habe… Aber es gibt doch bestimmt auch ein paar schöne Neuschöpfungen aus der Altersgruppe?
Fußbett!
Diese Schuhe haben kein Fußbett.
blümerant
Pfund
Dutzend
anderthalb
Leibwächter
Jeanshose
Habe gestern im Radio einen Beitrag zur Seniorenwortsuche gehört. Da schlug eine Dame zwei Wörter vor, die die Jugend ihrer Meinung nach nicht mehr kennt: “Bitte” und “Danke”. Wahrscheinlich kann man das Ganze nur mit Ironie betrachten…
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Eigentlich gibt es nur ein Wort, dass hier angebracht erscheint, weil es
— häufig gebraucht wird
— eigentlich unangebracht ist
— weil mit Stereotypen/Vorurteilen aufgeladen.
Es ist:
Senior / Senioren
Wer etwas Spaß haben will und einen Einblick in die Lebensbedingungen der “Adenauerära” (wohl auch ein Seniorenwort), der kann mal nach “Kranzgeld” googeln. Das Wort ist allerdings auch unter SeniorInnen ausgestorben. 🙂
Ein Wort, dessen Aussterben mich zuversichtlich in die Zukunft schauen lässt, ist “Engelmacherin”.
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Noch unüblicher als Jeanshose ist wohl die Nietenhose, hatte meine Oma immer gesagt.
Sonst, passend zu Weihnachten, da gab es mal die Weihnachtsbutter, mit der man versucht hat Butterberg und Milchsee schrumpfen zu lassen…
Gibt es nicht mehr und die Jüngeren kennen das sicher nicht mehr.
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