Sinnesfreuden (I)

Von Anatol Stefanowitsch

Als ich im Jan­u­ar das Bre­mer Sprach­blog auf den Weg brachte, habe ich mir geschworen, über drei Dinge nie zu schreiben: erstens über die Frage, ob die Eski­mos 400 Wörter für Schnee haben, zweit­ens über die Frage, ob Fire­fox ein besser­er Brows­er ist als der MS Inter­net Explor­er und drit­tens über die Frage, ob die Redewen­dung Sinn machen, die Bas­t­ian Sick so berühmt gemacht hat, ein Vor­bote der sprach­lichen Apoka­lypse ist. Auf alle drei Fra­gen schien mir die kor­rek­te Antwort zu offen­sichtlich (Nein, Ja und Nein).

Bei den Schneewörtern haben meine guten Vorsätze ger­ade mal fünf Tage gehal­ten. Gle­ich mein drit­ter Beitrag hat das The­ma aus­führlich aufge­grif­f­en. Beim Browserkrieg bin ich immer­hin sechs Monate stark geblieben. Aber im Juli brauchte ich Hil­fe mit dem Lay­out, das ein­er der bei­den Brows­er nicht richtig darstellte, und da ging es nicht anders. Und heute fällt mein let­zter Vorsatz.

Jeden Monat musste ich lesen, wie irgen­dein Jour­nal­ist oder Blog­ger sich über die Redewen­dung selb­st aufgeregt oder diese Aufre­gung genüsslich zerpflückt hat. Also (und ich nenne nur einen Beitrag pro Monat): Im Jan­u­ar führte Alexan­der Mari­nos in der West­deutschen Zeitung die Redewen­dung als Beweis dafür an, dass „die deutsche Gram­matik … immer „englis­ch­er“ wird“. Im Feb­ru­ar hat Wiglaf Droste auf der Web­seite des MDR Sinn machen mit Pipi machen assozi­iert und behauptet, wer diese Redewen­dung ver­wende, wolle sich „auf­pumpen, sich größer machen und bedeu­ten­der“. Im März hat Max im Spree­blick ein nicht ganz ernst gemeintes Plu­g­in veröf­fentlicht, das den ungeliebten Aus­druck auf besucht­en Web­seit­en durch sin­nvoll sein erset­zt. Im April beklagte Thomas, dass es der Redewen­dung gelun­gen sei, „in einem öffentlichen Medi­um Fuß zu fassen“ (näm­lich der Oden­wälder Zeitung). Im Mai fand „Man­age­ment-Guru“ Rein­hard Sprenger in einem Inter­view im Han­dels­blatt, dass man mit der Redewen­dung „Objek­tiv­ität behauptet — und unter­schlägt, dass die Fak­ten auch ganz anders bew­ertet wer­den kön­nen“. Im Juni hat­te zum ersten Mal in diesem Jahr jemand Mitleid mit dem gescholte­nen Aus­druck. Julius Fire­fly rief die Anglizis­men­jäger mit einem sub­tilen Hin­weis zur Ver­nun­ft: „glaub es oder nicht, aber englis­che Begriffe kön­nen Sinn machen“. Im Juli hat ConAl­ma dieses Sig­nal der Hoff­nung dann wieder zunichte gemacht: „Irgend­wann stieß ich mich daran. Und sei­ther ständig“. Im August machte Silent Tiffy dann kurzen Prozess mit allem Sprachdik­ta­torischen und dabei spielte auch das Sinn machen eine Rolle. Und im Sep­tem­ber knöpfte sich Björn Grau einige Argu­mente aus Bas­t­ian Sicks Gedanken­blase zu dem The­ma vor und ließ nicht viel davon übrig.

Und jet­zt halte ich es nicht mehr länger aus. Der Okto­ber gehört mir! Und wenn ich gute Vorsätze breche, dann richtig. Deshalb werde nicht nur ein­mal über das Sin­n­machen schreiben, son­dern gle­ich fünf­mal. Jeden Mon­tag werde ich einen Aspekt dieser unschuldig ungeliebten Redewen­dung näher beleuchten.

Wir begin­nen gle­ich heute mit der Frage, wann und wie die Redewen­dung Sinn machen in die deutsche Sprache über­nom­men wurde (dass sie aus dem Englis­chen stammt, set­zen wir, wie alle anderen, voraus — natür­lich ohne dass das tat­säch­lich zu beweisen wäre). Irgend­wie sind sich alle einig, dass es sich um ein rel­a­tiv junges Phänomen han­delt. Bas­t­ian Sick schreibt beispielsweise:

Seit einiger Zeit hat sich im deutschen Sprachraum eine Phrase bre­it gemacht, die auf die alte Frage nach dem Sinn eine neue Antwort zu geben scheint. Mit ihr feiert die Min­der­heit­en­sprache Denglisch ungeah­nte Tri­umphe, gram­ma­tis­ch­er Unsinn „macht“ plöt­zlich Sinn.

Und schuld sind irgend­wie „Jour­nal­is­ten­fin­ger“ und „Poli­tik­er­mün­der“ (ConAl­ma) oder vielle­icht gener­ische Werbeschaf­fende (Sick):

Irgendw­er hat es irgend­wann zum ersten Mal verkehrt ins Deutsche über­set­zt, vielle­icht war es sog­ar der­selbe, dem wir die unaussprech­lichen „Früh­stück­sz­e­re­alien“ zu ver­danken haben und das schul­terk­lopfende „Er hat einen guten Job gemacht“ („He did a good job“), welch­es die bis dahin gültige Fest­stel­lung „Er hat seine Sache gut gemacht“ abgelöst zu haben scheint.

Gut, ein­fach so ins Blaue spekulieren kann man natür­lich immer, vor allem, wenn es einem nicht um die Sache geht, son­dern nur um ein paar bil­lige Lach­er auf Kosten ander­er. Oder man set­zt sich hin und recher­chiert ein biss­chen, bevor man seine Gedanken zu Papi­er bringt.

Die Teild­iszi­plin der Lin­guis­tik, die sich mit dem Wortschatz ein­er Sprache beschäftigt, ist die Lexikolo­gie, und eine ihrer Auf­gaben ist es, Belege für die früh­este Ver­wen­dung jedes Wortes zu find­en. Diese frühen Belege helfen dabei, die Bedeu­tungsen­twick­lung eines sprach­lichen Aus­drucks zu ver­ste­hen; außer­dem liefern sie natür­lich einen Hin­weis darauf, wie lange es einen Aus­druck schon unge­fähr gibt. Dabei darf man natür­lich den ersten schriftlichen Nach­weis nicht mit der tat­säch­lichen ersten Ver­wen­dung ver­wech­seln, da die Schrift­sprache der gesproch­enen Sprache nor­maler­weise min­destens ein paar Jahrzehnte hinterherhinkt.

Wann und von wem wurde die Redewen­dung Sinn machen also zum ersten Mal ver­wen­det? Waren es wirk­lich Poli­tik­er oder Journalisten?

Dazu wür­den die Über­legun­gen des Mainz­er Lit­er­atur­wis­senschaftlers Heiko Stahl passen. Einige Jahre vor Sick hat der sich über die Herkun­ft dieser Redewen­dung etwas ern­sthafter Gedanken gemacht und dabei in Broder Carstensens Anglizis­men-Wörter­buch fol­gen­den Erst­be­leg aus dem Spiegel gefunden:

SPIEGEL: Herr Min­is­ter, Sie machen in diesem Jahr über 30 Mil­liar­den Mark neue Schulden. Zugle­ich müssen Sie 1979 rund 31 Mil­liar­den für Zins und Tilgung des alten Schulden­bergs von 207 Mil­liar­den aus­gebe. Macht das noch Sinn? (SPIEGEL 29.1.1979: 84)

Aus dem sel­ben Jahr find­et er einen weit­eren Beleg aus der Zeit und aus dem näch­sten Jahr noch ein­mal einen aus dem Spiegel:

[…] vor der näch­sten Bre­mer Pre­miere, […] “groß und klein” von Botho Strauß, macht die Entschei­dung für Strind­bergs Szenen ein­er Ehe und ein­er Läuterung schon Sinn. (ZEIT 28.9.1979: 45)

SPIEGEL: Herr Pro­fes­sor Mann, zumin­d­est auf diesem Gebi­et kön­nen Sie sich mit Ihrem Strauß nicht sehen lassen. Es macht doch keinen Sinn, einen Kan­zlerkan­di­dat­en Strauß zu propagieren, aber zugle­ich zu sagen: Was er da redet über die Ostverträge, das ist Unsinn. (SPIEGEL 1.9.1980: 42)

Stahl sug­geriert dann, dass möglicher­weise die Presse, vielle­icht auch speziell der Spiegel, schuld an der Über­nahme der Redewen­dung aus dem Englis­chen, oder wenig­stens an deren Vebre­itung sei.

Das lässt sich aus den Bele­gen allerd­ings unter keinen Umstän­den schließen, denn das Anglizis­men-Wörter­buch stützt sich bei der Auswahl der Beispiele auf das „Pader­borner Kor­pus“, eine Samm­lung von Presse­bele­gen — es wun­dert also nicht, dass man dort Belege aus der Presse findet.

Immer­hin kön­nen wir damit schon ein­mal die Behaup­tung ad acta leg­en, dass Sinn machen erst „seit einiger Zeit“ ver­wen­det wird: die Redewen­dung ist min­destens seit 1979, also seit fast dreißig Jahren, im deutschen Sprachge­brauch zu finden.

Aber die fortschre­i­t­ende Dig­i­tal­isierung unseres Schatzes an schrift­sprach­lichen Erzeug­nis­sen erlaubt es uns, sog­ar etwas weit­er in die Ver­gan­gen­heit vorzu­drin­gen. Wenn man die Redewen­dung Sinn machen in all ihren gram­ma­tis­chen Vari­anten in die Google Büch­er­suche ein­gibt, bekommt man eine Fülle an Bele­gen. Bei vie­len dieser Belege ist eine genaue Datierung nicht möglich, da die Angaben zum Pub­lika­tion­s­jahr unvoll­ständig oder offen­sichtlich fehler­haft sind.

Der früh­este sichere Beleg aber ist deut­lich älter als Stahl annimmt. Er stammt aus dem Jahr 1966. Er stammt auch nicht von einem Jour­nal­is­ten oder Poli­tik­er, son­dern von einem Ver­leger (Wolff, Kurt [1966]: Briefwech­sel eines Ver­legers, 1911–1963. Schef­fler: Frank­furt a.M.):

Frühester sicherer Beleg des Ausdrucks <em>Sinn machen</em> von 1966

Die Redewen­dung ist also selb­st in der Schrift­sprache min­destens vierzig Jahre alt, in der Umgangssprache ver­mut­lich noch zehn bis zwanzig Jahre älter. Weit­ere frühe schrift­sprach­liche Belege stam­men übri­gens von anerkan­nten Philosophen (von Gagern, Michael [1970]: Lud­wig Feuer­bach: Philoso­phie- und Reli­gion­skri­tik. Die „Neue“ Philoso­phie. München: Anton Pustet):

<em>Sinn machen</em> in Feuerbachs Philosophie- und Religionskritik von 1970

und Lit­er­at­en (Kieser, Rolf [1975]: Max Frisch. Das lit­er­arische Tage­buch. Frauen­feld: Huber) — lei­der ist nicht klar, ob hier Kieser spricht, oder sog­ar Frisch selbst:

<em>Sinn machen</em> 1975

Ich glaube nicht, dass die hier zitierten Autoren je das Wort Zere­alien in den Mund genom­men hät­ten (auch wenn dage­gen eigentlich nichts einzuwen­den wäre, denn das Wort hat einen tadel­losen Stamm­baum, der sich bis ins Lateinis­che zurück­ver­fol­gen lässt: es kommt ursprün­lich von cere­alis, lat. für „des Getrei­des“, oder bess­er „der Ceres“, der altrömis­chen Landwirtschaftsgöttin).

Ob vierzig bis fün­fzig Jahre und die Autorität von Dichtern und Denkern aus­re­ichen, um Sinn machen als Teil der deutschen Sprache zu akzep­tieren, muss jed­er für sich entschei­den. Eine Erfind­ung von Werbe­mach­ern oder „radikal, schrill und aggres­siv“ schreiben­den Spiegelredak­teuren (Stahl) ist die Redewen­dung aber auf gar keinen Fall.

Die ganze Serie

Sin­nes­freuden: Erster Teil

Sin­nes­freuden: Zweit­er Teil

Sin­nes­freuden: Drit­ter Teil

Sin­nes­freuden: Viert­er Teil

Sin­nes­freuden: Fün­fter Teil

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

33 Gedanken zu „Sinnesfreuden (I)

  1. Mike Seeger

    Am schön­sten fand ich den let­zten Absatz in der Abhand­lung “Macht Sin­n­machen Sinn?” von Heiko Stahl:

    Hier scheint sich die Lösung der Frage nach dem Sinn aufzu­tun. Unsinn kann man, soll man aber nicht machen – “macht keinen Unsinn!” Mehr noch: wenn Unsinn die Nega­tion des Sinns ist, dann ist ja “Sinn machen” durch Aufhe­bung der dop­pel­ten Nega­tion das Äquiv­a­lent von “keinen Unsinn machen”. Ergibt dieser Unsinn über­haupt einen Sinn? Mir erscheint es sinn­los, weit­er über diese Frage nachzusinnen…

  2. stw

    Inter­es­sant.

    Den­noch — eben­falls ohne es beweisen zu kön­nen — wage ich den Ausspruch: Kein einziger der­er, die seit einiger Zeit* zur Pop­u­lar­ität von “Sinn machen” beige­tra­gen haben, führte die Wen­dung im Munde, weil er sich ger­ade mit Max Frisch beschäftigte oder sich mit­ten im Philoso­phi­es­tudi­um befand oder ger­ade die SPIEGEL-Samm­lung im Keller geord­net hat.

    Irgend­wo ver­wen­det wurde es vielle­icht auch schon 1839. Oder 1907. Aber in der alltäglichen Kom­mu­nika­tion find­et man es gehäuft wohl tat­säch­lich erst seit einiger Zeit*. (Vielle­icht fehlte vorher ein­fach das Inter­net.) Man kann es daher ruhig als neues Phänomen behandeln.

    Ich habe den Ein­druck, ein gut Teil der Kri­tik richtet sich nicht nur gegen die Wen­dung selb­st, son­dern auch gegen das gedanken­lose (und nicht sel­ten beson­ders ken­nend klin­gen wol­lende) Nach­sprechen. Oder schlicht gegen das Über­ren­nen der schöneren Vari­ante. So bei Max Goldt:

    Gewiß, gewiß: Was sich ein­bürg­ert, wird irgend­wann als kor­rekt gel­ten. So entwick­elt sich Sprache. Ich weiß dies, so wahr mir Gott helfe und so sehr ich hier sitze. Bin ja Knowl­edge­work­er von Hause aus. Doch es wär’ schade um das »Sinn ergeben«. Das Wort »machen« kommt schon häu­fig genug vor in unser­er Sprache. Liebe machen, die Wäsche machen, Essen machen, sauber machen, Abwasch machen, Frau Hein­rich machen — »Ich mach mal Frau Hein­rich«, sagt die Friseurin zu ihrer Kol­le­gin, wenn sie ihr mit­teilen möchte, daß sie nun der Kundin Hein­rich die Haare zu machen sich anschickt — Bet­ten machen, Feuer machen, Inter­net machen — nein, Inter­net machen wir noch nicht. Wir guck­en Inter­net. Weil es Sinn ergibt. Für viele zumindest.

    Was ich eigentlich nur sagen wollte: Sehr interessant.

    *) eine genau(er)e Angabe wäre hier noch viel alberner

  3. Wolfgang Hömig-Groß

    @ stw (beson­ders, aber natür­lich auch die anderen),

    ich hat­te mir die ein­schlägige Ein­schätzung Max Goldts anlässlich dieses Blog­beitrags auch noch ein­mal her­aus­ge­sucht; sie ist und bleibt für mich nor­ma­tiv, und das in ver­schieden­er Hinsicht:

    # Sie ist ziem­lich unaufgeregt — anders als Sick et al..

    # Sie traut der Sprache was zu.

    # Und sie sagt mal genau, warum man Sinn zwar machen kann, es aber bess­er nicht tun sollte.

    Und das gar nicht mal so sehr in der hier zitierten Pas­sage, son­dern kurz davor. Dort ste­ht, was Leute, die diese und solche Unbe­dachtheit­en bege­hen, für Risiken einge­hen. Er ver­gle­icht sprach­liche Defizite mit schmutzi­gen Fin­gernägeln — auch die sind nicht schlimm, betr­e­f­fen nicht den Wert des Men­schen an sich, aber sie diskred­i­tieren sie für bes­timmte Auf­gaben — in sein­er unnachahm­lichen Art führt er hier, wenn ich mich recht entsinne, das Fal­ten der blüten­weißen Tis­chdeck­en der lux­em­bur­gis­chen Prinzessin Marie Astrid an.

    Und das ist es doch: Wer Sprache so benutzt, stellt sich vielle­icht weniger zu bes­timmten Men­schen oder Grup­pen hin, als von anderen weg. Das ist vielle­icht das größte Risiko nach­läs­siger Sprach­be­nutzung: Nicht-Zuge­hörigkeit zu signalisieren.

    Diese Sichtweise erlaubt es auch (mir zumin­d­est) die unangemessen schar­fen Bekämpfer dieser kleinen Unart zu grup­pieren: Bei den Besser­wis­sern näm­lich. Da möchte _ich_ aber nicht sitzen, frei nach Psalm 1. Man kann, wenn wir schon bei den Psalmen sind, hier wie über­all die Kirche ruhig im Dorf lassen.

  4. cri

    Got­thold Ephraim Less­ing kom­binierte “Sinn” und “machen” auch schon:

    Ein Über­set­zer muß sehen, was einen Sinn macht.”

    Less­ing: Briefe, die neueste Lit­er­atur betr­e­f­fend (10. Jan­u­ar 1760)

    Link [zeno.org]

    Nun ist es wahr, daß dieses eigentlich keinen falschen Sinn macht; aber es erschöpft doch auch den Sinn des Aris­tote­les hier nicht.”

    Less­ing: Ham­bur­gis­che Dra­maturgie (notiert am 8. März 1768)

    Link [zeno.org]

  5. Erik

    Mal eine etwas ket­zerische Ver­mu­tung. “Macht Sinn” hat etwas auswe­ichen­des, der / die Schreiber(in) legt sich ja nicht wirk­lich fest. In vie­len Fällen wäre ein “ist ver­mut­lich sin­nvoll” als Ersatz möglich, “macht Sinn” impliziert aber eine Tat­sache, jedoch ohne echte Fes­tle­gung. Eventuell wurde die Über­tra­gung ins Deutsche ja aus diesem Grund durchgeführt.

    …makes sense würde ich, je nach Kon­text, auch oft als “dürfte sin­nvoll sein” über­set­zen, auch hier find­et keine echte Fes­tle­gung statt, son­dern nur die Ver­mu­tung, dass etwas sin­nvoll sein könnte.

    Oder ich bin völ­lig auf dem Holzweg, es sei denn, es macht Sinn. 😉

  6. Thomas E. Jakob

    Es gren­zt in mienen Augen schon oft an Para­noia, jegliche Erk­lärung für einen ver­meintlichen falschen Aus­druck in angel­säch­sis­chen Sprachraum zu suchen.

    So stellt sich mir erst ein­mal die Frage, ob denn die vere­in­facht­en Aus­drücke aus der Math­e­matik, die die gle­iche Struk­tur wie “Sinn machen” aufweisen, denn nicht auch falsch sind — und das seit Jahrzehn­ten; konkret:

    eins plus eins MACHT zwei

    zwei plus zwei MACHT vier

    Zweifel­sohne hat sich das Wort “macht” hier auch eingeschlichen und das wort “ergibt” erset­zt — ähn­lich wie “Sinn ergeben” zu “Sinn machen” wurde. Ersteres, möcjhte ich behaupten, ohne englis­chen Einfluss.

    Ich beanspruche nun nicht des Rät­sels Lösung, doch würde ich gerne zur Diskus­sion anre­gen, ob sich denn nicht auch so die Struk­tur des Aus­drucks “Sinn machen” ergeben hat. Denn In meinen Augen ergibt “Sinn machen” in gewiss­er Weise Sinn:

    eins plus eins “macht” zwei

    Aktion X plus (oder angewen­det auf) Sit­u­a­tion Y “macht” Sinn

    Ich freu mich auf jegliche Anre­gung und Antwort

  7. David Marjanović

    eins plus eins MACHT zwei

    zwei plus zwei MACHT vier

    Das klingt für mich übri­gens nach Deutsch­land. Eins plus eins ist zwei.

  8. Franzi Fuchs

    Zitat (oben): “Stahl sug­geriert dann, dass möglicher­weise die Presse, vielle­icht auch speziell der Spiegel, Schuld an der Über­nahme der Redewen­dung aus dem Englis­chen, oder wenig­stens für deren Vebre­itung sei.”

    Unsin­niger als “Sinn machen” dürfte die Presse sein, die plöt­zlich als “Schuld” daherkommt. Dadurch daß man Schuld trägt, wird man doch wohl nicht gle­ich eine solche… (Ist ja offen­bar kein unab­sichtlich­er Schreibfehler wie die

    fehlen­den “r” und “n” in “Ver­bre­itung sein”, son­dern Anpas­sung an die — nicht

    oblig­a­torische! — Haup­tregel der soge­nan­nten Rechtschreibre­form, die da heißt: “Falsch ist richtig!”)

  9. David Marjanović

    Dadurch[,] daß man Schuld trägt, wird man doch wohl nicht gle­ich eine solche…

    Ich bin aber nicht schuld (alte Rechtschrei­bung), wenn es nicht meine Schuld war. Schuld tra­gen ist poetisch.

    Das einzige, was mir komisch vorkommt, ist “Schuld an der […] oder wenig­stens für”. Dieser Satz muß zuerst mit “schuld sein an” und dann mit “ver­ant­wortlich sein für” im Hin­terkopf geschrieben wor­den sein.

  10. Eugen Mezei

    die Frage, ob die Redewen­dung Sinn machen, die Bas­t­ian Sick so berühmt gemacht hat, ein Vor­bote der sprach­lichen Apoka­lypse ist.”

    Wobei zu bemerken ist, daß Sick ganz klar sagt, daß dies eben kein solch­er Vor­bote ist.

  11. Thom

    Entschuldige mal, aber fünf Beispiele zu suchen und dann zu sagen: war schon immer so, ist so ziem­lich das Unlauter­ste, was man machen kann. Was sich an den Beispie­len zeigt, ist, daß die, die es ver­wen­det haben (beson­ders Frisch, wenn er es war) mit dem Englis­chen Kon­takt hat­ten — zu ein­er Zeit, wo dies noch nicht die Selb­stver­ständlichkeit hat­te, die es heute hat. 

    Die gängige Formel war jeden­falls, daß Dinge Sinn haben, sin­nvoll sind. Der Grund dies beizube­hal­ten ist freilich nicht Borniertheit, son­dern das Wort “machen”, daß im Deutschen schlichtweg anders ver­wen­det wird als sein englis­ches Pen­dant “to make”. 

    Die Angle­ichung der Ver­wen­dung, die im Begriff ist, ist tat­säch­lich Aus­druck eines Ver­falls. Nicht aber, weil es aus dem bösen, frem­den Englisch kommt, son­dern weil die sprach­liche Vielfalt ver­loren geht: Ärg­er machen, Sinn machen, Kuchen machen. 

    Wenn sich Tuchol­sky darüber amüsierte, daß Fran­zosen bei jedem Verb, nach dem man sie fragt “faire” sagen, so wird man sel­biges vom Deutschen “machen” auch sagen können. 

    Da kann man nun zynisch sagen: who cares? Aber Zynis­mus ist nicht die Lösung, nicht mal für Blogger.

  12. Anatol Stefanowitsch

    Thom, nein, das Unlauter­ste, was man machen kann, ist es, ein­fach irgen­det­was zu behaupten und Gegen­beispiele mit faden­scheini­gen Begrün­dun­gen wegzud­isku­tieren, immer in der Annahme, dass man sel­ber Recht hat und der Andere die Beweis­last trägt. Davon abge­se­hen habe ich jede Ihrer unüber­legten Behaup­tun­gen bere­its widerlegt.

  13. donquichotte

    … ob man gle­ich sich erst einen Sinn dazu machen muß (Goethe)?! Aber ja: die weyse ist, das man wenig wort mache, aber vill und tieffe mey­nun­gen ader syn­nen (Luther). Wer aber ganz ohne Fehl ist, der werfe jet­zt den ersten Zwiebelfisch — er träfe nur Luther, Less­ing, Goethe. Übri­gens hätte ein klein­er Blick zu den Brüdern Grimm genügt (s.v. Sinn, II.21f.), woher das deutsche “Sinn machen” kommt: aus dem Mit­tel­lateinis­chen der Scholastik “sen­ten­ti­am facere”. Bsp.: Petrus der mais­ter Lam­par­dus, der die sen­ten­cias machet, das ist das puch von hochen syn­nen zu teutsch.

  14. Jutta Himmelreich

    Jaja, man soll die Kirche ruhig im Dorf lassen. Trotz­dem find ich’s schade, dass die entsprechen­den Adjek­tive (‘logisch’ oder sin­nvoll’ etwa) immer sel­tener zum Ein­satz kom­men. Am heftig­sten geärg­ert hat mich eine Wer­bekam­pagne: HOLZ MACHT SINN, wollte die der Welt in Riesen­let­tern weismachen.

  15. Mohan

    Ein weit­er­er “früher” Beleg von 1972 wäre noch im DWDS-Kor­pus zu find­en gewe­sen, der lautet

    Offe, Claus, Struk­tur­prob­leme des kap­i­tal­is­tis­chen Staates, Frank­furt a.M.: Suhrkamp 1972, S. 65

    … ist, denn es macht keinen Sinn, die Gesamtheit …

    und ebd. S. 75

    … Nicht-Ereig­nis « dar. Es macht aber offen­bar keinen Sinn, …

  16. Nadine

    Unsinn machen” ist aber nicht das Gegen­teil von “Sinn machen” 😉 Daher finde ich es doch lohnenswert, darüber nachzusin­nen. Es ist ja auch nicht so, als hät­ten sich Menschen/Journalisten/Autoren noch nie geirrt.

  17. Der Typ

    Vie­len Dank für diesen großar­ti­gen Artikel, dem nichts hinzuzufü­gen ist, nur die Freude darüber, dass Stammtis­chgerede à la Sick wis­senschaftlich und gutrecher­chiert Paroli geboten wird!

  18. Schweinegürkchen

    Vie­len Dank! Der Aus­druck “macht Sinn” mag nicht beson­ders ele­gant sein, aber es ist ein­fach nur wider­lich, wie seit ein paar Jahren eine wahre Hex­en­jagd darauf ver­anstal­tet wird. Kaum ver­wen­det ihn jemand, kommt jemand um die Ecke geprescht um zu behaupten, dass sei kein vernün­ftiges Deutsch, obwohl ihn jed­er ver­ste­ht und gram­ma­tisch auch nichts daran auszuset­zen ist. Selb­st wenn es denn ein junger Anglizis­mus wäre, ist ein solch­es Ver­hal­ten wenig sin­nvoll und trägt niemals zur Diskus­sion bei. Endlich kann man diese Stören­friede auf einen sach­lichen Artikel wie diesen ver­weisen. Nochmals vie­len Dank dafür!

  19. Elisa

    Vie­len Dank für diesen Artikel und die hil­fre­ichen Beiträge einiger Leser, ins­beson­dere don­qui­chottes. Er hat völ­lig Recht! Es ist ein­fach unl­o­gisch zu behaupten, eine Wen­dung wie “Sinn machen” stamme aus dem Englis­chen, wenn es bere­its im Lateinis­chen dafür Belege gibt.

    Sich­er sind viele Aus­drücke aus dem Lateinis­chen erst über den Umweg des Englis­chen in die Deutsche Sprache gelangt — aber wenn schon ein Luther so schreibt, der selb­st sagte, man müsse “dem Volk aufs Maul schauen” und entsprechend so schreiben, ist es doch mehr als unnötig, einen solchen Umweg auch nur in Betra­cht zu ziehen.

    Desweit­eren möchte ich daran erin­nern, dass es Luther war, der die Bibel ins Deutsche über­set­zt hat (End­fas­sung 1545 — die Fremd­sprache, von der er am meis­ten bee­in­flusst war, dürfte wohl kaum das damals noch seman­tisch und syn­tak­tisch bedeu­tend anders funk­tion­ierende Englisch (sprach er das überhaupt?)gewesen sein, son­dern vielmehr das Lateinis­che sowie das Griechische.

    Wie viele Jahrhun­derte soll eine beliebige sprach­liche Wen­dung benöti­gen, bis man ihr zugeste­ht, dass sie längst im Deutschen etabliert ist? Die kleinkari­erte Ansicht Bas­t­ian Sicks entspringt ganz offen­sichtlich ein­er völ­li­gen Unken­nt­nis lin­guis­tis­ch­er Prozesse sowie ein­er erschreck­enden Igno­ranz gegenüber sämtlichen etablierten Quellen zur Geschichte der deutschen Sprache. Sich mit solch nichtvorhan­den­em Wis­sen auch noch auf die Fah­nen zu schreiben, man wolle das deutsche Volk zu einem besseren Sprachge­brach erziehen, ist ein­fach nur lächerlich.

  20. Edgar

    Was ich dem Beitrag ent­nehmen kann, ist, dass der Anglizis­mus “Sinn machen” offen­sichtlich älteren Ursprungs ist, als von Her­rn Sick angenom­men. Das ändert aber nichts am eigentlichen Kri­tikpunkt, dass hier eine schlampige 1:1‑Übersetzung aus dem Engis­chen vor­liegt. Es ist nun mal nicht von der Hand zu weisen, dass beim “Sinn machen” kein Sinn “pro­duziert” wird, son­dern sich uns höch­stens “erschließt”. Ich finde es daher inakzept­able, wie der Autor auf den Ein­wand von Thom reagiert hat.

  21. Dierk

    Ähem, Edgar, abge­se­hen davon, dass der Gesamt­beitrag des Blog 5 Ein­träge umfasst, die erhe­blich genauer vorge­hen als es Herr Sick auf Spiegel Online kann, haben ver­schiedene Kom­men­ta­toren Belege für erhe­blich früheres Auftreten des bean­stande­ten aus­drucks gebracht. So gibt es Ver­weise auf Luther, Goethe, Less­ing; außer­dem wird Grimms Wörter­buch mit ein­er Quelle zitiert, die jedem Preskrip­tiv-Gram­matik­er das Herz höher schla­gen müsste, näm­lich das gute alte Latein.

    Auf­grund der ange­führten Belege kann zumin­d­est eines aufs Schärf­ste zurück­gewiesen wer­den: Die Wen­dung ‘Sinn machen’ ist ein­deutig keine Über­set­zung aus dem Englis­chen — wed­er schlampig noch sauber.

    Nichts Anderes ist der Sinn hin­ter der sprach­his­torischen Unter­suchung, Belege zu find­en, die eine These frag­würdig machen. Natür­lich ist das noch keine aus­re­ichende Betra­ch­tung, den seman­tis­chen Hin­ter­grund zu klären, es genügt aber vol­lauf, Unsinn als solchen zu entlarven.

  22. David Marjanović

    Ich habe in eine protes­tantis­che Bibel hineingeschaut, deren Text “der his­torischen Fas­sung von 1912” fol­gt. Besagte Fas­sung fol­gt wahrschein­lich Luther; es tut direkt weh, diese Bibel zu lesen, weil man richtig durch­sieht, welche lateinis­che Wen­dung im Orig­i­nal (also der Vul­ga­ta) ges­tanden ist.

    Das ändert aber nichts am eigentlichen Kri­tikpunkt, dass hier eine schlampige 1:1‑Übersetzung aus dem Engis­chen vorliegt.

    Ist das auch wirk­lich der Fall? Oder hat man in Nord­deutsch­land schon immer “Sinn machen” gesagt?

    Ach ja, immer diese Fra­gen, wo man richtig nach­forschen muss, damit man sie beant­worten kann. Wie nervig…

    Es ist nun mal nicht von der Hand zu weisen, dass beim “Sinn machen” kein Sinn “pro­duziert” wird, son­dern sich uns höch­stens “erschließt”.

    Ja, und “machen” hat ursprünglich “kneten” bedeutet, und “haben” “fan­gen, fes­thal­ten” (es ist nicht mit lat. habere ver­wandt, son­dern mit capere). Das Argu­ment von der Ety­molo­gie her ist ein logis­ch­er Fehlschluss.

  23. Nörgler

    Ob die Redewen­dung “Sinn machen” aus dem Englis­chen kommt oder nicht, ob sie im Deutschen “Sinn macht” oder nicht, ist mir an sich völ­lig gle­ichgültig. Sie beste­ht aus guten alten deutschen Wörtern, und jed­er ver­ste­ht, was gemeint ist. Es gibt viele altherge­brachte Redewen­dun­gen, die jed­er ver­ste­ht, deren Zusam­menset­zung heutzu­tage aber nicht mehr durch­sichtig ist und die daher streng genom­men “keinen Sinn mehr machen”. Meine Empfehlung an “Sprach­nör­gler” wäre deshalb, sich nicht auf diesem Neben­schau­platz zu verzetteln.

    Ich sehe auch nicht ein, warum diese Redewen­dung im Englis­chen mehr “Sinn machen” sollte als im Deutschen. Meine Empfehlung an Bas­t­ian Sick wäre deshalb, das Übel an der Wurzel anzu­pack­en und die Englän­der davon zu überzeu­gen, daß ihre Aus­druck­sweise unsin­nig ist. Dann würde sie ja vielle­icht auch aus dem Deutschen wieder verschwinden.

    Ander­er­seits mag es ja dur­chaus sein, daß diese Redeweise im Deutschen “in let­zter Zeit” stark zugenom­men hat. Das fällt mir nicht so sehr auf, was aber daran liegen kann, daß mir das englis­che “make sense” ein­fach zu ver­traut ist. Es erschiene dann auch plau­si­bel anzunehmen, daß dieser zunehmende Gebrauch auf englis­chen Ein­fluß zurück­zuführen wäre — egal, ob die Redewen­dung ursprünglich aus dem Englis­chen stammt oder eine autochthone deutsche Bil­dung ist.

    Wenn sich aber jemand daran stößt, weil er es für einen Mod­eaus­druck hält, den er ein­fach nicht mehr hören kann, so habe ich dafür dur­chaus Ver­ständ­nis. Ich kann auch das echt deutsche Wort “Nach­haltigkeit” nicht mehr hören, von dem affi­gen Fremd­wort “the­ma­tisieren” ganz zu schweigen.

    Mich stört auch die gedanken­lose Über­nahme englis­ch­er Wen­dun­gen. So war vor einiger Zeit in den Nachricht­en die Rede von dem “finalen Ergeb­nis” (“final result”), wo man im Deutschen nor­maler­weise von dem “Endergeb­nis” spricht. In diesem Fall han­delt es sich um eine banale Fehlüber­set­zung, die man mit dem Zeit­druck entschuldigen kann. Allerd­ings fällt mir immer häu­figer auf, daß “final” in der englis­chen und nicht in der deutschen Bedeu­tung ver­wandt wird.

    @David Mar­janović (#9)

    Ich bin schuld” ist nicht nur die alte, son­dern auch die neue Schreibung.

    @Anatol Ste­fanow­itsch (#13)

    Dem anderen die Beweis­last zuzuschieben, ist doch ein beliebtes Argu­ment in diesem Blog. Ich zitiere: “Ken­nen Sie eine Studie, die diese Intu­ition belegt?”

  24. kamenin

    Allerd­ings fällt mir immer häu­figer auf, daß “final” in der englis­chen und nicht in der deutschen Bedeu­tung ver­wandt wird.

    Diese Ver­schiebun­gen wer­den auch weit­er zunehmen, je mehr das Reden und Lesen von Englisch im deutschen Raum zunimmt. Weil ich beru­flich wie pri­vat viel Englisch lese (und lesen muss), ertappe ich mich zum Beispiel dabei, inzwis­chen immer wieder “eventuell” zu denken, wenn ich “schließlich” meine. Oder auch “aktuell” anstelle von “tat­säch­lich”.

    Vielle­icht erleben wir im Rah­men der Glob­al­isierung auch irgend­wann eine Bedeu­tungsan­gle­ichung von solchen falschen Fre­un­den, auch wenn uns die Ver­schiebung am Anfang wie ein Fehler vorkommt — weil es ja auch erst mal ein­er ist. Durch sowas seh ich doch trotz­dem nicht das Vater­land oder die Mut­ter­sprache in Gefahr.

    Wobei “final” noch mal ein ander­er Fall ist, weil das im Deutschen schon länger in der (aus dem Lateinis­chen stam­menden) Bedeu­tung ver­wen­det wird. “Finales Ergeb­nis” oder “Endergeb­nis” ist let­ztlich eine Stil‑, keine Bedeutungsfrage.

  25. Nörgler

    Ich stimme Ihnen dur­chaus zu. Die zunehmende Ken­nt­nis des Englis­chen wird so oder so ihre Spuren im Deutschen hin­ter­lassen. Auch mir geht es manch­mal so, daß mir das englis­che Wort zuerst ein­fällt, ja daß ich Mühe habe, mich an das richtige deutsche Wort zu erinnern.

    Ich sehe natür­lich auch nicht “das Vater­land oder die Mut­ter­sprache in Gefahr”. Ich frage mich allerd­ings, warum Sie das über­haupt für erwäh­nenswert hal­ten. Hat das denn irgend jemand behauptet? Lei­der krankt die ganze Diskus­sion über Anglis­men, Fremd­wörter, Sprach­wan­del usw. daran, daß allzu häu­fig diejeni­gen, die etwa ein Über­maß an Anglis­men kri­tisieren, gle­ich als “Puris­ten”, “Deutschtüm­ler” oder als solche, die in jedem Anglis­mus den Unter­gang des Abend­lan­des sehen, hingestellt wer­den. Solche mag es ja geben, begeg­net bin ich allerd­ings noch keinem. Lei­der fühlen sich viele, die gegen ein solch­es Über­maß an Anglis­men ein­treten, selb­st verpflichtet, ein­lei­t­end in ein­er Art “dis­claimer” zu ver­sich­ern, daß sie selb­stver­ständlich keine “Puris­ten”, “Deutschtüm­ler” usw. seien. All das kön­nte man sich ers­paren und die Diskus­sion wäre sehr viel frucht­bar­er, wenn man sich darauf eini­gen kön­nte, dem anderen bis zum Beweis des Gegen­teils gesun­den Men­schen­ver­stand zu unterstellen.

    Nochmals zu final: Im Englis­chen bedeutet das Wort abschließend, endgültig. Auch im Deutschen wird es gele­gentlich in diesem Sinne gebraucht (z.B “Krankheit im finalen Sta­di­um”). Ander­er­seits wird es auch und m.E. über­wiegend, etwa im philosophis­chen Zusam­men­hang, in dem Sinne von zweckbes­timmt, ziel­gerichtet benutzt. So ist etwa der finale Todess­chuß nicht etwa ein “endgültiger Todess­chuß” son­dern ein auf die Tötung abzie­len­der Schuß. In ein­fachem Deutsch würde man eher von einem absichtlichen Todess­chuß sprechen. Die Beze­ich­nung finaler Todess­chuß wirkt auf mich sehr euphemistisch und bürokratisch.

    Das Vor­drin­gen von final in der englis­chen Bedeu­tung führt zu Zwei­deutigkeit­en im Deutschen und kann deshalb m.E. nicht erstrebenswert sein. Ob es sich aufhal­ten ließe, ist natür­lich eine andere Frage. Außer­dem gehört final im Deutschen ein­er hohen Sprachebene an und ist im alltäglichen Deutsch ohne­hin überflüssig.

    Eben­sowenig erschiene es mir wün­schenswert, wenn die englis­che Bedeu­tung von even­tu­al­ly ins Deutsche ein­dränge und man nicht mehr wüßte, was mit eventuell gemeint ist. Übri­gens war vor nicht so langer Zeit das Wort even­tu­al im Englis­chen zwei­deutig, weil es auch eventuell bedeuten kon­nte. Inzwis­chen beze­ich­nen englis­che Wörter­büch­er diese Bedeu­tung aber als “archaisch” oder verze­ich­nen sie über­haupt nicht mehr.

  26. David Marjanović

    Ich bin schuld” ist nicht nur die alte, son­dern auch die neue Schreibung.

    Ah ja, stimmt, danke.

  27. Stefan Kähler

    Ja, es macht Sinn und ist sin­nvoll zugleich 🙂

    Sehr inter­es­sante Beiträge zu diesem The­ma. “Sinn machen” war und ist schon damals ver­wen­det wor­den und in genau diesen Wurzeln liegt wohl auch die Lösung.

    Auf “ger­man­is­chem, deutschem, teutschem, teu­tonis­chem Gebi­et” man mag es nen­nen wie man möchte, gab es schon immer unter­schiedliche Begriffe für die selbe Sache.

    Hier sei nur kurz einge­fügt, daß es für Nahrungsmit­tel oder Tier­beze­ich­nun­gen etc., in jedem heuti­gen Bun­des­land einen eige­nen “lokalen” Begriff gibt. Recher­chiere doch ein Jed­er, wie Brötchen genan­nt wer­den oder wie “Marienkäfer” in Sach­sen heißen 🙂

    Wer sich mit der Sprachen­twick­lung einzel­ner Län­der und des wes­teu­ropäschen Teils unseres Kon­ti­nents befasst, sollte auf die eigentliche Herkun­ft der englis­chen und somit auch der amerikanis­chen und aus­tralis­chen Sprache stoßen. Nord­deutsch­land hat auf sprach­lich­er Ebene, vor allem im Niederdeutschen, viele Ähn­lichkeit­en mit dem Skan­di­navis­chen, ins­beson­dere dem Dänis­chen sowie dem Hol­ländis­chen und Englis­chen. Und woher stammt nun die heutige englis­che Sprache!?

    Sie ist keine ure­igene Sprache in dem Sinne und kann es auch nicht sein. Die Ure­in­wohn­er des heuti­gen “Großbri­tan­nien” sowie auch Küsten­ab­schnitte “Frankre­ichs” sind im Bere­ich des Keltischen anzusiedeln. Dem fol­gte das Altenglis­che im 5.Jh bis zum Ende des Mit­te­lenglis­chen im 15.Jh. Noch heute wird 

    dort Gälisch und Wal­i­sisch gesprochen. Und nicht ohne Grund gibt es dafür Über­set­zun­gen auf Straßenschildern 🙂

    Dies ent­stand, nach­dem sich die Angeln, Sach­sen und Jüten im 5.Jh in Eng­land ansiedel­ten. Die heutige englis­che Sprache hat ihren Ursprung also in den ger­man­is­chen Sprachen und daher auch der indoger­man­is­chen Sprachfamilie.

    Wie mit dem deutschen Sprachraum war es dann auch auf der “Insel” — fast jede umgebende Sprache wan­derte mal durch oder blieb dort. Da wären die skan­di­navis­chen Ein­flüsse (Sky, School), Latain über die Römer sowie franzö­sis­che Ein­flüsse aus der Nor­mandie, die wiederum Ein­flüsse aus dem Nordis­chen (Nor­man­nis­chen) aufweist.

    In diesem Zusam­men­hang möchte ich auch auf die Tat­sache hin­weisen, daß Ital­ienisch und Franzö­sisch zwar roman­is­che Sprachen sind, jedoch ihren Bezug zum Latein in Teilen ver­loren haben. Sie entstam­men zwar der Sprache des römis­chen Imperi­ums sind aber aus der Volkssprache her­vorge­gan­gen, dem Vul­gär­latein, da das rel­a­tiv unge­bildete Volk (Lese- und Schreibkün­ste waren von den religiösen und weltlichen Herrsch­ern aus gutem Grund nicht erwün­scht) diese kom­plexe Sprache gar nicht anwen­den kon­nte und auch nicht wollte! Um Ein­stein hier mit ein­fließen zu lassen: Sprache ist relativ 🙂

    Und nun zurück zum “Sinn machen”!

    Wenn man dies bedenkt und davon aus­ge­ht, daß eine frühe Form dieser Wörter schon so ange­wandt wurde, ergibt dies dur­chaus einen Sinn. Nicht wir übernehmen diese Form aus dem Englis­chen, und hier seien zudem die lit­erais­chen Belege für eine frühe Nutzung im Deutschen ange­merkt, son­dern unsere Ahnen nah­men sie mit auf die Insel.

    Diese Form fand lit­eraisch mehrdeutige Ver­wen­dung und wird heutzu­tage zwar für die “richtigere” eigentliche Bedeu­tung “Macht das noch Sinn = Führt dies zum Ziel” benutzt. Im all­ge­meinen Sprach­wirrwar wird dies durch eine ähn­liche Bedeu­tung auch gle­ichge­set­zt mit “Das macht Sinn = Das ist sin­nvoll = Nüt­zlich, Mehrw­ert oder Bere­icherung”. Jedoch wird sich wohl kaum ein­er dazu ver­leit­en lassen, zu sagen oder zu schreiben: “Dies macht dem Leben einen Sinn” oder anders “Das gibt 5 €”

    Man wird aber dur­chaus auf fol­gende Aus­sage stoßen:

    Ich fahre als EINZIGSTER Men­sch IN MALLORCA gern NACH ALDI, um dort mit TAXIS meine PIZZAS zu holen”

    (Das tut schon beim schreiben weh und beim lesen erst recht *g*)

    In diesem Sinne

    Carpe Diem” und “Immer Men­sch bleiben”

    Ste­fan Kähler

    ps: Ich bin in Nord­deutsch­land aufgewach­sen und ein Kind der späten 70er.

    Ich inter­essiere mich sehr für die glaub­würdi­geren Hin­ter­gründe zu Politik, 

    Wirtschaft und Geschichte. Um die Welt zu begreifen, bedarf es einzig dem 

    Willen ihre wahre Hekun­ft zu ergründen.

    Nur wer die Geschichte ken­nt und die Gegen­wart begreift, kann seine Zukunft 

    sin­nvoll gestal­ten und sie auf der Wahrheit auf­bauen. Andere zu belü­gen ist

    das Ende, aber sich selb­st zu belü­gen ist der Anfang davon.

  28. David Marjanović

    ure­igene Sprache in dem Sinne

    In welchem? Soll “ure­igene Sprache” etwas heißen?

    TAXIS

    Hä? Wie soll man denn statt “Taxis” noch sagen können?

    Ach jaaaa! Ich war ja ger­ade in Berlin, und da ist auf einem Verkehrss­child (“parken ver­boten außer für” oder so ähn­lich) allen Ern­stes “Tax­en” ges­tanden! LOL! 😀 Zum Glück habe ich vor 20 Jahren Jan & Julia gele­sen und dort “Wer will mit mein­er Taxe fahren?” gese­hen, son­st hätte ich… naja, weiß ich nicht, ob ich in aller Öffentlichkeit zu kich­ern ange­fan­gen hätte oder schlicht und ergreifend nicht ver­standen hätte, worum es geht. Was mir zu “Tax­en” zuerst ein­fällt, sind die “Tax­en und Gebühren”, die anfall­en, wenn man einen Flug bucht.

    In diesem Sinne

    Carpe Diem”

    Das bedeutet “pflücke den Tag”, auf dass er dir wie die sprich­wörtliche reife Frucht in den Schoß falle. Es ist eine Auf­forderung zum Hedo­nis­mus — mor­gen kön­nte man schon tot sein.

    Ich bin in Nord­deutsch­land aufgewachsen

    Das merkt man.

    Um die Welt zu begreifen, bedarf es einzig dem

    Willen [sic!][,] ihre wahre Hekun­ft zu ergründen.

    Nein.

    Alles, das mit “als das Wün­schen noch geholfen hat” begin­nt, ist ein Märchen. Es gibt keine Fra­gen über die Natur, die man mit Nach­denken allein ver­lässlich beant­worten kön­nte. Wenn man die Wirk­lichkeit nicht beobachtet, merkt man nicht, wenn man falsch liegt, wenn, in anderen Worten, die eigene begren­zte Vorstel­lungskraft nicht gere­icht hat, um die Wirk­lichkeit im eige­nen Kopf zu modellieren.

    Deswe­gen ist die Wis­senschaft entwick­elt wor­den: weil Philoso­phie allein ein­fach auf keinen grü­nen Zweig kommt.

  29. Bianka

    Und wieder dreht sich alles um Ver­stand? Weil Sprache Ver­ste­hen und ver­standen wer­den ist? Mir gefall­en diese Über­legun­gen, von denen ich gerne prof­i­tiere. Es hat mich angeregt und weit­er gebracht. Danke!

  30. Adele Bongartz

    Sie set­zen sich zum Rat­en hin,

    Uneins und doch in einem Sinn. (…)2

    *

    Ach, par­don: Das heißt so:

    Sie set­zen sich zum Brat­en hin,

    Uneins und doch in einem Sinn. (…)

    *

    Macht doch Sinn — oder? — Im Volk­slied “Misheirath”. Aus: Achim von Arn­im und Clemens Brentano: Des Knaben Wun­der­horn. Band 1.

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